Autorin: Sarah Fuhrman

Ort: Deutschland

Format: Text

Thema: Nachruf, Gesellschaft, Religion

Datum: 24.10.2022

Portal: www.zocd.de  

Textdauer: ca. 5 Min.

Sprache: Deutsch

Titel: Wir trauern um Professor Wolfgang Schwaigert – Interview mit Pfarrerin Michaela Köger und Simon Jacob

 

Wir trauern um Professor Dr. Wolfgang Schwaigert – Interview mit Pfarrerin Michaela Köger und Simon Jacob

Michaela Köger ist Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Während ihres Studiums studierte sie im Nebenfach Islamwissenschaften und betreute als sozialpädagogische Einzelfallhelferin die Tochter einer syrischen orthodoxen Familie aus dem Tur Abdin. Während eines Studienjahrs in Kairo 1994, war sie Gast der Koptischen Orthodoxen Kirche und der Koptischen Evangelischen Kirche. Dort sammelte Frau Köger zahlreiche Eindrücke über das christliche Leben in Ägypten und lernte zudem ihren heutigen Ehemann kennen. Durch diesen Aufenthalt hat sich ihre Leidenschaft für die _orientalischen Orthodoxen Kirchen und die Christen im Orient weiter gefestigt. Nachdem Michaela Köger ihren Pfarrdienst angetreten hatte, konnte sie im Bereich Ökumene und Entwicklung ihre Kenntnisse über den Orient als Referentin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg einsetzen. Zudem hat Frau Köger an der Universität Hohenheim einen Lehrauftrag für angehende ReligionspädagogInnen und unterrichtete Ev. Religion und Ethik an der Gewerbeschule in Geislingen, im Bereich der VABO-Klassen, die SchülerInnen ohne Deutschkenntnisse, zumeist mit Fluchterfahrung aus Syrien, Afghanistan, dem Irak u.a., auf einen Schulabschluss bzw. das Berufsleben vorbereiten.
Seit einigen Jahren ist sie Mitglied im Beirat des ZOCD – des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland sowie in der Kommission der EKD, die für den Dialog mit orientalischen Orthodoxen Kirchen in Deutschland zuständig ist. Des Weiteren ist sie Vorsitzende des Vereins Christen aus dem Orient, der 1994 von Professor Wolfgang Schwaigert gegründet wurde. Dieser war es auch, der Michaela Köger in den Zentralrat des ZOCD und in die Kommission der EKD einführte und sie der Universität Hohenheim für einen Lehrauftrag als Dozentin vorschlug.

Professor Wolfgang Schwaigert war Pfarrer im Ruhestand. Er wurde am 01. August 1946 in Leutkirch in Baden-Württemberg geboren und verstarb am 03. Oktober 2022 in Blaubeuren. Dort verbrachte er viele Jahre seines Lebens. Professor Schwaigert studierte Theologie auf das Pfarramt in Tübingen und Marburg, wobei er seinen Schwerpunkt auf orientalische Kirchengeschichte legte. Dieses Studium war für ihn eine Art Initialfindung, da er dort an das Thema Christen aus dem Orient herangeführt wurde, was sein großes Interesse weckte. Seine beiden theologischen Dienstprüfungen legte Wolfgang Schwaigert in den Jahren 1972 und 1979 ab, woraufhin er Pfarrer in Neuenstadt wurde. Neun Jahre später promovierte er in Marburg mit einer Dissertation zur Thematik „Das Christentum in Huzistan im Rahmen der frühen Kirchengeschichte Persiens bis zur Synode von Seleukia-Ktesiphon im Jahre 410“ und arbeitete ab 1989 als Pfarrer in Blaubeuren-Asch im Dekanat Blaubeuren.
Ab dem Jahr 2007 war Professor Wolfgang Schwaigert Honorarprofessor an der pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, an der er Einführung in den Islam und die orientalische Christenheit unterrichtete. Seit 2009 befand sich Wolfgang Schwaigert im Ruhestand und genoss sein Leben als Pensionär.
Neben dem Beruf als Pfarrer galt Professor Schwaigerts Leidenschaft sein Leben lang dem Orient und seiner Vielfalt an christlichen Konfessionen und Kirchen. Er hielt Vorträge in interessierten Gemeinden, besuchte ähnlich gesinnte Vereine und ging einfach in Moschee-Gemeinden, um dort für gegenseitiges Verständnis zu plädieren. Im Jahr 2017 hielt er bei den EKD-Festlichkeiten in Berlin zu Ehren des Lutherjahres einen seiner letzten Vorträge, zu dem sämtliche Patriarchen der orientalischen Orthodoxen Kirchen eingeladen waren. Dies kann als sein Abschied und Abschluss bezeichnet werden. Dennoch war er bis zum Schluss Mitglied im Vorstand des Vereins Christen aus dem Orient und engagierte sich weiterhin. Im Jahr 2019 übernahm Frau Michaela Köger den Vorsitz.

 

Mit Pfarrerin Michaela Köger unterhalten wir uns über ihre Erfahrungen und Erinnerungen in Bezug auf Professor Wolfgang Schwaigert, sein Wirken und Handeln und was er zu Lebzeiten erreichte.

Frau Köger, welchen Einfluss hatte Professor Wolfgang Schwaigerts Schaffen auf die Welt der Theologie?

Teil seines Schaffens war das regelmäßige Verfassen von Artikeln für theologische Fachzeitschriften in der Schweiz oder für andere theologische Fachblätter. In diesen versuchte er unter anderem Entwicklungen in den orientalischen Orthodoxen Kirchen aufzuzeigen. Professor Wolfgang Schwaigert wollte damit die Vielfalt der christlichen Kirchen im Orient in die Köpfe der Menschen in Europa rufen. Er hat durch sein Schaffen Aufklärung über die Vielfalt der Christenheit betrieben, die leider durchaus eine bedrohte ist. Durch seine Fähigkeit, immer ansprechen zu können, dass das christliche Leben im Orient bedroht ist, konnte er stets Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema lenken.
Eine der großen Stationen in seinem Leben waren beispielsweise die Gottesdiente in Herrlingen, die zwischen den Jahren 2013 und 2016 stattfanden, bei denen meist um die sechzig Geflüchteten aus dem Irak und Syrien teilnahmen. Für Professor Wolfgang Schwaigert war dies eine der Erfahrungen, die ihn am meisten erfüllte. Er war durch sein Wissen und seine unermüdliche Tatkraft eine Person, die half, den ZOCD zu gründen, wobei er viele Jahre zu dessen Beirat angehörte. Zudem war er Mitglied der EKD-Kommission für den Dialog mit den orientalischen Orthodoxen Kirchen in Deutschland und hat sich so stets für Christen aus dem Orient eingesetzt.

Was hat er in seiner Lebenszeit bewirkt?

Neben der Aufklärungsarbeit in Deutschland hat er auch Hilfestellungen für Christen aus dem Orient angeboten. Zum Beispiel hat er Rechtsanwälte organisiert oder finanzielle Unterstützung durch den Verein übernommen, durchaus auch privat. Er hat aber auch Seelsorge geleistet und ist mit den Geflüchteten ins Gespräch gekommen. Neueingetroffenen hat er bei der Wohnungsfindung geholfen und Gutachten geschrieben. Er förderte neuangekommene Christen bei materiellen Anschaffungen oder kümmerte sich bei gesundheitlichen Bedürfnissen. Durch sein Handeln hat er Mitgefühl und ein großes Herz bewiesen. Professor Wolfgang Schwaigert hatte die Gabe, Menschen so wie sie waren anzunehmen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie wichtig sind. Er konnte jedem Gesprächspartner signalisieren, wie wichtig er in seinem Denken, seiner Haltung und seinem Handeln ist.

Was lag Professor Schwaigert besonders am Herzen?

Ich denke die Frage, Heimat zu finden und Heimat zu haben, hat ihn sein Leben lang bewegt. Für ihn stand es außer Frage, dass Christen im Orient ein Recht besitzen, Heimat und Raum für sich und ihre Spiritualität zu haben. Deshalb war es ihm wichtig, vor allem denen, die nach Europa und speziell nach Deutschland und Baden-Württemberg kamen, zu helfen, eine neue Heimat zu finden.
In meinen Augen könnte dieses mit seiner Biografie zusammenhängen. Professor Wolfgang Schwaigerts Familie wurde durch die Wirren des Zweiten Weltkrieges vertrieben. Dadurch hatte sie ebenfalls das Schicksal, zu einer Minderheit zu gehören und die Heimat verlassen und neu anfangen zu müssen, selbst erlebt. Besonders die Erfahrung, neu anfangen zu müssen, konnte er dadurch sehr gut verstehen und sich umso mehr in die Menschen und ihre Gefühle hineinversetzen. Durch die Erlebnisse seiner Familie, und somit seiner eigenen, wurde das Thema Heimat schaffen für geflüchtete und vertriebene Menschen, für Christen aus dem Orient, ein wichtiges Anliegen für ihn.

Welche Bedeutung hatten die nahöstlichen Kirchen für ihn?

Nahöstliche Kirchen hatten für ihn eine große Bedeutung. Er liebte den Orient mit seiner Vielfalt des menschlichen Daseins, die er dort kennengelernt hatte. Zudem spielte die Neugierde eine große Rolle, die vielen unterschiedlichen Arten der Religionen, Konfessionen und verschiedene Formen der Spiritualität kennenzulernen. Professor Wolfgang Schwaigert war fasziniert davon, wie vielfältig das Christentum auf dieser Welt sein kann. Besonders sein ehemaliger Mitstreiter, Theologieprofessor Wolfgang Hage, hat in ihm Liebe für die Christenheit im Orient und die Forschung entzündet. Professor Schwaigert war ein Denker, dem es immens Spaß machte, wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen. Seine Liebe zum Forschen galt seinem Fachgebiet, die nahöstliche Kirchen. Ihn faszinierten diese Kirchen, mit ihrer großen Tradition und ihrer Frömmigkeit. Aber auch die wunderbaren Begegnungen, die er durch seine Nachforschungen machen durfte, waren für ihn von großer Bedeutung. Die Menschen, die er traf, waren für ihn Geschwister im Glauben.
Professor Wolfgang Schwaigert hat in sich verkörpert, dass das Christentum eine weltumspannende Bewegung ist und ursprünglich aus dem Nahen Osten kommt. Es hatte dort eine große Blüte, wurde dann aber leider immer weiter verdrängt und diskriminiert. Dies ist auch heute noch der Fall.

Welche Rolle spielte er in deren Verständnis für den westlichen Kulturkreis?

Ich glaube, Professor Wolfgang Schwaigert spielte in dem Sinne eine Rolle, dass er Begegnungsmöglichkeiten zwischen westlich geprägten Christen und den orientalischen Christen schuf. Durch diese Begegnungen brachte er das gegenseitige Verstehen und Verständnis füreinander voran.
Zur Zeit der großen Flüchtlingswellen 2014 und 2015, als der IS den Orient überrannte, hat Professor Schwaigert unermüdlich versucht, die Evangelische Landeskirche in Württemberg zu überzeugen, in jedem ihrer Dekanate ein bis zwei christliche Familien aus dem Orient aufzunehmen. Er war stets bemüht, auf beiden Seiten, zwischen den westlich geprägten Christen und den orientalischen Christen, eine Brücke zu bauen.

Zum einen neu angekommenen Personen aus dem Orient zu zeigen: Schaut, so tickt das christliche Abendland, so sind die Kirchen und Christen. Zum anderen auch die andere Seite, die Evangelischen Kirchengemeinden, vorzubereiten und zu sagen: Nehmt die Leute auf und ihr werdet bereichert werden und könnt immer gemeinsam anknüpfen. Dies zeigt, Wolfgang Schwaigert hat immer das Gemeinsame gesucht.
Durch sein Mitwirken, Mitstrukturieren und Mitdenken hat er zudem 2013 den ZOCD auf den Weg gebracht und zu dessen Gründung beigetragen. Sein Wunsch war es dabei auch, dass der Beirat aus westlich geprägten Christen bestehen soll und der Vorstand aus orientalischen Christen. Dadurch sollten diese zwei Parteien eng zusammenarbeiten können, sich stetig miteinander austauschen und zusammenhalten. Das gegenseitige Verstehen sollte außerdem durch diese Aufteilung vorangetrieben und diese Brücken, zwischen westlichen und orientalischen Christen, gebaut werden können.

 

 

Anschließend möchten wir uns noch mit Simon Jacob, Mitbegründer des ZOCD, der den aktuellen Vorsitz innehat, über Professor Wolfgang Schwaigert unterhalten.

Welche Bedeutung hatte Professor Wolfgang Schwaigert für den ZOCD?

Ohne den unermüdlichen Einsatz von Professor Wolfgang Schwaigert, im Zusammenspiel mit Professor Heinz Otto Luthe (Universität Eichstätt – Soziologie und Religionspädagogik), wäre der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland 2013 nie gegründet worden. Ich kann mich noch an ein gemeinsames Mittagessen in 2012 mit beiden in meiner Münchner Wohnung erinnern, in der wir die Notwendigkeit definierten, eine Struktur zu gründen, um der westlichen Gesellschaft die Sorgen christlicher Minderheiten im Nahen Osten, auf der gesellschaftlichen als auch medialen Ebene, näherzubringen. Mir persönlich, wie vielen anderen Angehörigen traditionell-orientalischer Kirchen in Deutschland, fehlten die wissenschaftlichen Kenntnisse, um die komplexe Problematik nahöstlich-christlicher Denominationen besser verstehen zu können. Die meisten Christen, gleiches gilt auch für Gläubige aus dem westlichen Kulturkreis, gehören einer bestimmten Denomination an. Sie kennen allerdings die Unterschiede zwischen diesen nicht bzw. ihnen fehlt die Fähigkeit, sich in einen Diskurs zu begeben, da sie die historischen Ereignisse nicht kennen, die zu Trennungen, Dogmas und den jeweiligen Riten führten. Professor Wolfgang Schwaigert brachte eben jene Komponente in den Zentralrat, welcher es Unternehmern wie mir z.B. ermöglichte, dieses wichtige Wissen so zu gestalten, dass es heute in Informationsmaterial für jeden ersichtlich und verständlich ist, der sich dafür interessiert. Im Downloadbereich des ZOCD ist eine Präsentation verfügbar, auf Deutsch und Englisch, die in einigen Abschnitten den Werdegang verschiedener Riten innerhalb unterschiedlicher Strömungen darstellt. Dies ist verständlich und vereinfacht zusammengefasst. Der Inhalt beruht auf den Arbeiten, die Wolfgang Schwaigert dem ZOCD während der Gründungszeit zur Verfügung gestellt hat. Ausgestattet mit solch wichtigen Kenntnissen war es mir damals möglich, ob nun in politischen, gesellschaftlichen oder auch medialen Kreisen, kompakt und effizient zu informieren. Auch heute noch empfehle ich allen, die einen Schnellkurs zu christlichen Riten und dem nahöstlichen Christentum benötigen, einen Blick auf die Präsentation zu werfen, die jedem zur Verfügung steht und, in Teilen, Wolfgang Schwaigert zu verdanken ist. Entsprechend kann man mit Ehrfurcht und dem gebührenden Respekt sagen, dass er eine wichtige Komponente des Vereins darstellte und weiterhin darstellt.

Welches Erbe, besonders innerhalb nahöstlicher Gemeinden, hat er hinterlassen?

Professor Schwaigert gehörte der Evangelischen Kirche an, die oftmals ihre Schwierigkeiten mit nahöstlichen Kirchen hatte und immer noch hat. Sein Wesen war fähig, diese Konflikte nicht nur zu überwinden, er baute auch wahrlich Brücken. Für ihn standen die Menschen im Mittelpunkt. Oft besuchte er selbst die Regionen des Nahen Ostens, suchte den Austausch mit den Religionen, machte sich ein eigens Bild vor Ort. Diese Eigenschaft und der feste Wille nicht nur „über“ die Menschen zu sprechen, sondern auch mit ihnen, zeichnete ihn im Besonderen aus.. In Deutschland gibt es nur noch wenige Wissenschaftler, die praxisnahe Erfahrungen und akademisches Wissen dermaßen konzentriert vereinen. Er hinterlässt eine tiefe Lücke in der Kommunikation zwischen dem Orient und dem Okzident, die nicht einfach zu schließen ist.

Wie wird man sich an ihn erinnern?

Man wird sich an ihn als einen Brückenbauer, einen Friedensstifter, einen, der die Hand reicht, erinnern. Er folgte dem Credo seines christlichen Glaubens und war zutiefst davon überzeugt, dass nur der stete Wille zum Dialog, zur Auseinandersetzung mit der Situation und der Pfad der Diplomatie zum Frieden zwischen den Völkern und Religionen führen kann. In seiner persönlichen Erscheinung hat er jenen Frieden gelebt und vorgelebt. Er wird ein Vorbild für die Brückenbauer dieser Welt bleiben.

Etwas Persönliches zu ihm?

In jungen Jahren sind Menschen wie ich oft stürmisch. Wir werden erfasst von der Leidenschaft, Ideen umsetzen zu wollen. Und vergessen dabei, dass Demut den Weg ebnen muss, da man ansonsten zu viel Kraft und Energie mit Nebensächlichkeiten vergeudet. Gerade zu Beginn des Vereins, der 2013 gegründet wurde, führte ich viele Diskussionen mit Professor Wolfgang Schwaigert. Rückblickend bin ich froh über seine weisen Worte, die mir dabei halfen, mich in die Welt der Geisteswissenschaftler zu versetzen, die ein durchaus ambivalentes Verhältnis zum unternehmerischen Tatendrang meines Charakters aufweisen. Berechtigt darf ich sagen, dass ich in ihm einen wertgeschätzten Lehrer sah, das gilt auch für andere akademische Vertreter seines Fachs, die mich Geduld und Demut lehrten. Mein Respekt gilt Lehrenden wie ihm, die sich dem Wissen hingeben, um die Menschheit zu unterrichten. Dafür bin ich ihm mehr als dankbar.

 

Abschließend noch ein persönlicher Nachruf von Frau Köger:

Nachruf Wolfgang Schwaigert
von Michaela Köger

 

Im Namen des Vereins „Christen aus dem Orient“ möchte ich als Vorsitzende Prof. Dr. und Pfarrer Wolfgang Schwaigert danken, sein Lebenswerk würdigen und einige Momente seines Wirkens in Erinnerung rufen. Ebenso spreche ich im Namen des Vorstands und des Beirats des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland.

 

Vielleicht ein kurzer Rückblick auf unsere erste Begegnung im Januar 1995. Sie spiegelt wider, wie Wolfgang Schwaigert war:

Der landeskirchliche Arbeitskreis Orthodoxer Kirchen tagte. Für mich war es das erste Mal, denn ich kam gerade von meinem Studienjahr in Kairo zurück, erfüllt mit so unendlich vielen Eindrücken über das christliche Leben Ägyptens. Bevor die Sitzung beginnen sollte, hat mich Wolfgang Schwaigert entdeckt und kam auf mich als Neue zu. Es folgte ein wunderbares Gespräch. Es passiert sehr selten, dass Menschen gut zuhören können, sich sofort für Neue und für Neues interessieren und dem Gegenüber das Gefühl vermitteln, mit ihren Erfahrungen und ihrem Denken wichtig zu sein.

 

Aber genau so war Wolfgang Schwaigert, offen für alle und alles, stets den Mitmenschen zugewandt, anteilnehmend, interessiert und neugierig auf die Vielfalt des Lebens, humorvoll und ausgleichend.

Unserer ersten Begegnung haben sich viele angeschlossen. Er ist mir zu einem treuen Freund und sehr wichtigen Begleiter auf dem Gebiet der Orientalistik, in Fragen des Islams und dem Engagement für Christen aus dem Orient geworden. Ich habe ihm viel zu verdanken!

 

Dem Orient galt sein Augenmerk seit seinem Studium in Marburg vor vielen Jahren. Seine Dissertation setzte der Entwicklung der Christenheit in Huzistan, einer Provinz im heutigen Iran, ein Denkmal. Als in den 80er und 90er Jahren Christinnen und Christen aus dem Orient nach Deutschland gelangten, die in den 60er Jahren zunächst als angeworbene Arbeitskräfte kamen, bald aber als Schutzsuchende, die einen Asylantrag in unserem Land stellten, kümmerte sich Wolfgang Schwaigert um die hier Angekommenen, die auf der Suche nach Gewissensfreiheit, Gleichberechtigung und Anerkennung in ihrem Sosein als Christen waren. Als Asylsuchende zu Beginn der 90er Jahre in einem ersten Kontingent nach Blaubeuren-Asch und -Sonderbuch kamen, kümmerte er sich um die Neuankömmlinge und unterstützte sie darin, Heimat zu finden. Vor allem half er unermüdlich bei Rechtsstreitigkeiten um den Asyl- bzw. Aufenthaltsstatus. 1994 gipfelte sein Wirken in der Gründung des Vereins Christen aus dem Orient, später dann half er mit seinem Wissen und seiner Tatkraft mit, den ZOCD – den Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland zu gründen. Lange Jahre gehörte er dessen Beirat an. Er war ferner Mitglied der EKD-Kommission für den Dialog mit den orientalischen Orthodoxen Kirchen in Deutschland.

Regelmäßige Reisen zu den christlichen Geschwistern in Syrien, in der Türkei, im Tur Abdin, gehörten mit dazu, sich ein Bild über die aktuelle Situation christlichen Lebens mit all seinen diskriminierenden Momenten zu machen. Stets setzte er sich für Verständigung und Versöhnung ein.

Als dann der IS Syrien und den Irak überrannt hatte, Christinnen und Christen in diesen Ländern systematisch verfolgt wurden und viele zu Tode kamen, kümmerte sich Wolfgang Schwaigert verantwortungsbewusst um diejenigen, die auf der Flucht hierhergekommen waren. Oftmals besuchte er zusammen mit meinem Mann Asylunterkünfte im Alb-Donau-Kreis und half Christinnen und Christen aus dem Orient. Zwischen 2014 und 2016 versammelte er eine Gemeinde der „Heimatlos Gewordenen“ um sich, um ihnen zusammen mit dem Verein Christen aus dem Orient Zukunft zu eröffnen. Mit seiner Unterstützung fanden sich Geflüchtete wieder; Freundschaften entstanden zwischen den Neuangekommenen, die bis heute bestehen. Vor allem boten die gemeinsamen Gottesdienste in der Herrlinger Auferstehungskirche einen spirituellen Zufluchtsort.

 

Wolfgang, Du fehlst uns und Du wirst uns allen, den Mitglieder des Vereins Christen aus dem Orient, dem Zentralrat Orientalischer Christen und mir, stets in sehr guter Erinnerung bleiben! Danke, dass Du für uns da warst!

 

 

Frau Köger und Herr Jacob, vielen Dank für Ihre Antworten und die Zeit, die Sie sich für dieses Gespräch genommen haben.

Sarah Fuhrmann