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Autor: David Fuhrmann
Ort: Polen
Format: Text
Thema: Politik, Gesellschaft
Datum: 25.06.2020
Portal: www.zocd.de
Textdauer: 5 min.
Sprache: Deutsch
Titel: Rechtsstaatlichkeit in Europa sichern
  
(Bildquelle: Screeshot online-Übertragung)

  

Rechtsstaatlichkeit in Europa sichern

  
Internationale Online-Konferenz bekräftigt die Bedeutung einer unabhängigen Justiz für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Schutz der Menschenrechte in Europa.
 
Schon seit längerem ist bekannt, dass autoritäre Strömungen nicht nur um (mit Blick auf die Entwicklungen in Belarus), sondern inzwischen leider auch in Europa im Nachbarland Polen erstarken. Damit einher geht der Versuch, rechtsstaatliche Institutionen und die Gewaltenteilung im Land außer Kraft zu setzen. Um diesem Angriff auf die europäischen Werte und die allgemeingültigen Menschenrechte entgegenzuwirken, fand am 25. Juni 2020 eine internationale Konferenz statt, mit dem Ziel, das Bewusstsein der Menschen in Europa für die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Veranstaltet wurde die Konferenz dabei von den Nationalen Menschenrechtsinstitutionen in Polen und Deutschland, in einer Zusammenarbeit der Freien Hansestadt Bremen und dem Menschenrechtszentrum Poznań. Die Veranstaltung war hochkarätig besetzt (eine genaue Teilnehmerliste finden Sie hier) und stieß international auf großes Interesse.
 
"Vor wenigen Jahren wäre Rechtsstaatlichkeit kein Thema gewesen, über das wir sprechen müssten. Demokratie und politische Stabilität waren eine unverrückbare Größe, deren Haltbarkeit ohne eigenes Zutuen unbegrenzt scheint. Doch die Zeiten haben sich geändert."
Andreas Bovenschulte, Bürgermeister von Bremen
 
Aufgrund der Coronapandemie fand die gesamte Konferenz online statt. Das stellte alle Teilnehmer vor besondere Herausforderungen und sorgte vor allem Anfangs für einige technische Probleme, gleichzeitig war es dadurch aber auch möglich, direkt Fragen zu stellen. Eröffnet wurde die Konferenz dabei von Michael Windfuhr, dem Stellvertretenden Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Maciej Taborowski, dem Stellvertretenden Ombudsmann der Republik Polen für Bürger- und Menschenrechte. Präsident des Bremer Senats, Bürgermeister Andreas Bovenschulte und Aleksandra Maria Dulkiewicz, Stadtpräsidentin von Danzig, verdeutlichten in ihren Reden, dass Demokratie, politische Stabilität und Rechtsstaatlichkeit heutzutage leider keine Selbst-verständlichkeit mehr seien. Deswegen seien auch Partnerschaften, wie Bremen und Danzig sie seit 1976 pflegen, so wichtig. Nur gemeinsam kann man die Europäische Idee bewahren.
 
Die Diskussion über die Unabhängigkeit der Justiz wurde von prof. Dr. habil. Małgorzata Gersdorf, ehemalige Präsidentin des polnischen Obersten Gerichtes, sowie Dr. Ulrich Maidowski, Richter des deutschen Verfassungsgerichts eröffnet. Gersdorf, die durch ihre Zwangspensionierung selbst den negativen Wandel des polnischen Justizsystems zu spüren bekam, sagte, dass eine Gleichbehandlung aller Bürger und eine ordentliche Rechtsprechung unabhängiger Gerichte in Polen nicht mehr gegeben ist. Kritik übt sie vor allem an dem Austausch von 120 Gerichtspräsidenten in 6 Monaten, unabhängig von ihrem Alter und Erfahrung und der undurchsichtigen Verteilung der Gerichtsfälle, die nicht mehr zufällig, sondern durch ein neues System entschieden wird, auf das die Richter keinen Zugriff haben. Gleichwohl betont sie aber, dass die Bevölkerung Polens demokratisch und rechtsstaatlich bleiben möchte. Dr. Maidowski stimmt ihr zu stellt die Frage, wie man die Unabhängigkeit der Justiz in Europa geschützt werden kann. Dabei hofft er auf die Unterstützung durch die europäischen Gerichte. An der darauffolgenden Debatte nahmen unter anderem Prof. Dr. habil. Włodzimierz Wróbel, Richter des polnischen Obersten Gerichts und Prof. Dr. Angelika Nußberger, Mitglied der Venedig-Kommission, ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; Richterin am Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina teil.
 
"Die Unabhängigkeit der Justiz ist keine Frage nationaler Souveränität, sondern gemeinsamer europäischer Standards und unserer Grundrechte. Ein kontinuierliches Rechtsstaats-Monitoring aller EU-Mitgliedstaaten ist notwendig und nur Staaten mit unabhängiger Justiz sollten Geld aus dem EU-Haushalt erhalten."
Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte
 
Im zweiten Teil der Konferenz wurde die Frage nach der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in Europa diskutiert. Nach einer Einführungsrede von Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz fand eine Debatte über die Bedeutung Deutschlands in dieser Frage und im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft statt. Daran nahmen Irina Speck (Leiterin des E-Stabs im Auswärtigen Amt), Adam Bodnar (Ombudsmann der Republik Polen für Bürger- und Menschenrechte), Beate Rudolf (Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte) und Magdalena Adamowicz (Mitglied des Europäischen Parlaments) unter der Moderation von Maximilian Steinbeis (Journalist und Herausgeber des Verfassungsblogs) teil.
 
Im Laufe der Debatte waren sich viele einig, dass Deutschland eine Schlüsselrolle für die Lösung der Frage einnimmt, wie in Polen und auch Ungarn die Rechtsstaatlichkeit und andere europäische Werte gesichert werden können.
 
Die Veranstaltung wurde auf Deutsch, Englisch und Polnisch abgehalten.
Den deutschen Mitschnitt dazu finden Sie mit diesem Link.
 
 
David Fuhrmann
20.09.2020
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