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Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte geben ausschließlich deren Meinung wieder und nicht die der bearbeitenden Redaktionen und Veröffentlichungsplattformen
  
Autor: Sarah Fuhrmann
Ort: Passau, Deutschland
Format: Text
Thema: Gesellschaft, Religion
Datum: 18.11.2020
Portal: www.zocd.de
Textdauer: ca. 3 Minuten
Sprache: Deutsch
Titel: Mundkommunion in Zeiten der Corona-Krise
  

Mundkommunion in Zeiten der Corona-Krise

 
Christian Gerges ist Mediziner und Oberarzt an einem evangelischen Krankenhaus. Gerges ist auch gläubiger Christ und gehört der Koptischen Gemeinde in Düsseldorf an, die eine der ältesten christlichen Denominationen weltweit ist und ihren Ursprung in Ägypten hat. So wie in vielen anderen Kirchen des Nahen Ostens, wird auch in der Koptischen Kirche die Kommunion von der Hand des Priesters in den Mund gereicht. Die aktuelle Situation mit der Corona-Krise stellt die Gläubigen wie auch den Klerus gleichermaßen vor Herausforderungen. Mit Gerges unterhalten wir uns über plausible Ansätze.
 
Christian Gerges ist Mitglied und kooptierter Vorstand im ZOCD.
 
Herr Gerges, eine allgemeine Frage: ist das Coronavirus eine Strafe Gottes?
Auf keinen Fall ist das Coronavirus eine Strafe Gottes. Ich glaube nicht daran, dass Gott die Menschen durch irgendwelche Plagen bestraft, das ist für mich kein christlicher Gedanke. Ich gehe beichten, um mich von meiner Schuld zu befreien und deshalb gibt es keinen Grund, dass Gott kollektiv eine ganze Bevölkerung für eine Sünde bestrafen müsste. Wir glauben ja daran, dass Christus die Erbsünde auf sich genommen hat und dass der Mensch durch seinen Tod und seine Auferstehung wieder mit ihm vereint ist. Dadurch gibt es nun wieder die persönliche Beziehung eines jeden zu Gott und die Möglichkeit der Beichte. Eine kollektive Bestrafung des gesamten Volkes, wie im Alten Testament, ist durch Christus obsolet geworden.
 
Inwieweit beeinflusst es momentan Ihren Arbeitsalltag als Arzt?
Die Frage ist wohl eher, inwieweit beeinflusst die Krise meinen Arbeitsalltag nicht. Corona ist allgegenwärtig. Es fängt mit der Maskenpflicht an, das Besuchsrecht für die Patienten ist eingeschränkt, wir haben das Elektivprogramm runtergefahren. Unter anderem haben wir spezielle Corona-Stationen und müssen bei jedem Patienten einen Corona-Test durchführen. Dazu kommen alle möglichen Hygienerichtlinien, die eingehalten werden müssen. Außerdem dürfen wir nicht in großen Runden zusammen Mittagessen, damit nicht einer der infiziert ist, alle anderen anstecken kann. Das schlimmste allerdings ist, dass die Intensivkapazitäten abnehmen, da wir immer mehr Patienten auf der Intensivstation mit Covid19 beatmen müssen. Das wird uns irgendwann an unsere Grenzen bringen und das ist das, wovor wir alle am meisten Angst haben.
 
Als gläubiger Christ sollten Sie, sobald Gottesdienste wieder zugelassen werden, die Heilige Kommunion erhalten. Wie soll das gehen, ohne dass der Priester den Mund berührt?
Der Priester, befindet sich während der Kommunion immer hinter einer Plastikwand. In dieser Wand befindet sich nur ein kleines Loch, durch das er seine Hand führen kann. Noch dazu desinfiziert sich der Priester vor und nach jedem neuen Gläubigen, der die Kommunion erhält, seine Hände. Dadurch wird das Infektionsrisiko so gut wie möglich minimiert. Denn selbst wenn er mit dem Virus in Kontakt gekommen wäre, würde durch das regelmäßige Desinfizieren eine Übertragung verhindert werden.
 
Ist es eine Abwägung zwischen Theologie und Wissenschaft?
Dies ist ein Punkt, den ich auch sehr ausführlich mit unseren Priestern diskutiert habe. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder sage ich, die Kommunion ist absolut heilig, deswegen kann während der Kommunion keine Übertragung von Krankheiten stattfinden. Wenn dann allerdings trotzdem eine Übertragung erfolgen würde, dann wäre das im Prinzip ein Beweis dafür, dass die Kommunion nicht heilig ist, und das würde den Gläubigen in eine existentielle Glaubenskrise führen. Ich persönlich glaube jedoch nicht, dass diese Argumentation richtig ist. Der Priester, der die Kommunion verteilt, ist ein Mensch, sowie der Gläubige, der die Kommunion bekommt. Somit können beide gesund oder krank sein und sich gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Wenn ich als Mensch einem anderen Menschen die Kommunion gebe, kann ich ihm dabei auch eine Krankheit übertragen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kommunion nicht heilig ist. Die Kommunion bleibt somit unangetastet, denn die Krankheitsübertragung erfolgt nicht über das Blut oder den Leib Christi, sondern über den unvollkommenen Menschen. Demnach ist es kein Widerspruch zwischen Wissenschaft und Glauben. Es wird erst zu einem Widerspruch, wenn man die Kommunion zu etwas mystifiziert, was sie nicht ist.
 
Was wäre eine vernünftige Lösung für beide Seiten?
Eine Lösung wäre zu akzeptieren, dass es die Wissenschaft und den Glauben gibt und dabei nicht versucht das eine mit dem anderen zu vermischen. Wir müssen uns an die Wissenschaft halten, denn sie hilft uns dabei diese Pandemie zu überstehen. Die Wissenschaft ist kein Feind des Glaubens, im Gegenteil, ich glaube, dass das eine Synergie sein kann.
 
Ist das eine Empfehlung, der auch andere Ost- und Westkirchen folgen sollten, die vor einer ähnlichen Herausforderung stehen?
Definitiv.
 
Was bedeutet Ihnen Ihr Glaube zu Zeiten der Pandemie?
Der Glaube hat in solchen Zeiten immer die wichtige Aufgabe, den Menschen Hoffnung zu geben. Durch ihn finden wir die Kraft, dieses Übel zu überstehen und den Halt, den wir in diesen unsicheren Zeiten benötigen. Daher bin ich froh, dass wir als Gläubige die Möglichkeit haben zu beten und Trost und Hoffnung in unserem Glauben zu finden. Ich bin der Überzeugung, dass in solchen schweren Phasen der Glaube ein sehr wichtiger Aspekt im Leben der Menschen ist.
 
Sarah Fuhrmann
25.11.2020
 
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Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de