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Autor: Ferit Tekbas
Ort: Hatay / Samandağ - Yoğunluk, Türkei
Format: Text
Thema: Politik, Gesellschaft, Religion, Minderheiten
Datum: 14.05.2021
Portal: www.zocd.de 
Textdauer: ca. 3 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Moschee auf historischer armenischer Kirche gebaut
 
(Bildquelle: Ferit Tekbas)
 

Moschee auf historischer armenischer Kirche gebaut

 
Obwohl ich in Samandağ / Hatay geboren wurde, hatte ich bisher keine Gelegenheit, diese historische armenische Kirche und die darauf errichtete Moschee zu sehen. Ich hatte jedoch immer wieder darüber gelesen. Als ich die Kirche das erste Mal sah, dachte jedoch nicht, dass ich so traurig sein würde.
 
Am Samstag, den 1. Mai 2021, beschloss ich, diesen Ort zu besuchen. Mein Weg führte durch das armenische Dorf Vakıflı. Ich kann sagen, dass Vakıflı, bekannt als das letzte armenische Dorf der Türkei, ein kleines Paradies ist. Da sich das Dorf Vakıflı auf einer Anhöhe befindet, kann man von dort aus das Meer von Samandağ sehen. Es gab viele Menschen, die vor der Pandemie aus weiter Ferne kamen, um sich in dieser Kulisse fotografieren zu lassen. Da der Teegarten an der Straße während dieser Zeit jedoch geschlossen ist, habe ich sein köstliches Paprikabrot (Biberli ekmek) leider nicht probieren können. Weiter ging es die Straße entlang durch das Dorf Hıdırbey. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war auch Hıdırbey ein armenisch besiedeltes Dorf. Derzeit sind die Bewohner des Dorfes rein sunnitisch, wie auch in Yoğunluk. Menschen, die dieses Dorf besuchen, werden auf jeden Fall den dreitausend Jahre alten Moses - Baum nicht übersehen.
 
Als ich in Yoğunluk angekommen war, fragte ich die erste Person, die ich traf, nach der Kirchenmoschee. Dieser sehr freundliche türkische Herr zeigte mir den Weg dorthin. Jeder in Samandağ liebt die Dorfbewohner von Yoğunluk. Die dort lebenden Turkmenen waren in den 1960er Jahren nach Yoğunluk gebracht worden. Bis in die 1900er Jahre gab es noch sieben armenische Dörfer um Samandağı und Hatay. Diese blieben natürlich aufgrund der Ereignisse von 1915 zunächst leer, außer das armenische Dorf Vakıflı. Später wurden Turkmenen in dorthin gebracht und angesiedelt. Festzustellen ist, dass sich diese Turkmenen gut in die Hatay-Kultur integrieren konnten. Die Mehrheit der armen turkmenischen Dorfbewohner arbeitete meist bei Aleviten oder christlichen Hatay-Bewohnern und sind dafür bekannt, fleißig zu sein.
 
Nachdem ich mit meinem Mietwagen die engen Gassen passiert hatte, kam ich endlich an. Der untere Teil der Moschee, der Kirchenteil, auf den ich jetzt zum ersten Mal aufmerksam wurde und der im 17. Jahrhundert erbaut worden ist, zeigt die armenische Architekturkunst aus schönen Steinen. Darüber wurde ein Neubau mit einer Moschee errichtet, der so gar nicht auf diese wunderschöne historische Kirche passt. Auf den Steinen außerhalb der Kirche sind noch armenische Inschriften zu entdecken. Das Erste, was mir in den Sinn kommt, ist, dass diese Kirche, die mehr als 300 Jahre alt ist, eine riesige neue Moschee tragen kann. Dieses bemerkenswerte Gebäude sollte als Kirche restauriert werden, der christlichen Gemeinde überlassen und jedem zugänglich sein. Es könnte sowohl dem Dorf als auch dem Umfeld von finanziellem Nutzen sein.
 
Ich habe versucht, mir Yoğunluk in den frühen 1900er Jahren vorzustellen ... immer noch leben die neuen Bewohner des Dorfes in den alten armenischen Steinhäusern. Wie würden diese Dörfer aussehen, wenn die Armenier im Dorf, in einer Stadt, in einem Bezirk geblieben wären? Ich denke, Vakıflı mit seinen rund 200 Einwohnern ist zu einem berühmten Ort auf der Welt geworden... Wie wäre die Situation dieser sieben Dörfer, wenn es hier noch Armenier gäbe?
 
Ferit Johannes Tekbas
 
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Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de