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Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte geben ausschließlich deren Meinung wieder und nicht die der bearbeitenden Redaktionen und Veröffentlichungsplattformen
  
Autor: David Fuhrmann
Ort: Deutschland
Format: Text
Thema: Politik, Gesellschaft, Religion
Datum: 30.07.2021
Portal: www.zocd.de
Textdauer: 8 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Menschenrecht – Quo vadis? Interview mit Volkmar Klein MdB
 
(Bildrechte: Bertelmann)
 

Menschenrecht – Quo vadis? Interview mit Volkmar Klein MdB

 
So gut wie alle Staaten weltweit haben das UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert oder erwähnen Menschenrechte in ihren Verfassungen, zu denen auch das Recht gehört, frei seine Religion ausüben zu dürfen. Damit verbunden haben sich jene Staaten, die dem Abkommen rechtlich zugestimmt haben, verpflichtet, dies als einklagbares Recht in die nationale Judikative zu übertragen. Im juristischen Sinne bedeutet das, dass Bürger den eignen Staat anklagen können, sofern dieser gegen die allgemein gültigen Menschenrechte verstößt; unter der Voraussetzung, dass der angeklagte Staat die Menschenrechtskonvention anerkannt und ratifiziert hat, welche 1948 während der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, die zwar universell und global ausgelegt, jedoch formalrechtlich nicht bindend ist. In der Folge wurden 1966 der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, „UN-Zivilpakt“), der wirtschaftliche Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, „UN-Zivilpakt“) rechtsverbindlich verabschiedet. Weitere Abkommen auf zwischenstaatlicher Ebene folgten, die sich von der UN-Charta für Menschenrechte, teils erheblich, unterscheiden.  So wurde 1994 z.B. die Arabische Charta für Menschenrechte veröffentlicht, die 2004 überarbeitet wurde und 2008 Rechtswirksamkeit erlangte. Zumindest aus der Perspektive des Westlers betrachtet erscheint diese mit ihrer 2004 überarbeiteten Version Mann und Frau gleichzustellen, alle Bürger vor dem Gesetz gleich zu behandeln, das Recht von Minderheiten auf freie Kultur-, Sprach- und Religionsausübung zu gewährleisten. Doch ist zu bezweifeln, dass die verbrieften Rechte in den nächsten Jahren oder womöglich Jahrzehnten umgesetzt werden. Ein Blick in den Nahen Osten oder Teile Asiens reicht aus, um mehr Ernüchterung zu erlangen. Trotzdem oder gerade deswegen ist es von immenser Bedeutung sich für die Menschenrechte und die Gerichtsbarkeit dieser einzusetzen. Nur so kann man in Staaten, die die Menschenrechte missachten, den Betroffenen Unterstützung zukommen lassen. Unabhängig davon, ob es sich um muslimische Uiguren in China, Oppositionelle in der Belarus oder Christen in Pakistan handelt.
 
Menschenrechte sind nicht verhandelbar und sollten es niemals sein. In diesem Zusammenhang steht uns noch ein langer Weg bevor. Die Debatte darüber ist ein Anfang und für die aktuelle Artikelserie des ZOCD wurden darüber Gespräche mit Experten aus Kirchen, Politik und Gesellschaft darüber geführt. Einer davon ist der Bundestagsabgeordnete Volkmar Klein.
 
Der 1960 in Siegen geborene Diplom-Volkswirt ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern. Er hat an verantwortlicher Stelle in mittelständischen Unternehmen gearbeitet, war Bürgermeister seiner Heimatstadt Burbach und 12 Jahre Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen. Seit 2009 vertritt er den Kreis Siegen-Wittgenstein als direkt gewählter Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Volkmar Klein ist Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss und im Auswärtigen Ausschuss.
 
Welche Bedeutung haben Menschenrechte in einer globalisierten und hochdigitalisierten Welt?
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren, ein jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, auch in unserer globalisierten und digitalisierten Welt. Viele Verletzungen der Menschenrechte werden heute schneller bekannt, sie zu verhindern und zu sanktionieren ist aber oft noch schwer. Hier brauchen wir auch noch mehr gemeinsames Handeln in Europa und mit befreundeten Ländern.
Dabei gerät besonders das Recht auf Religionsfreiheit, das nicht die Religion als solche, sondern den einzelnen Menschen in seiner Glaubensfreiheit, schützt, zunehmend unter Druck. In dieser Legislaturperiode haben wir das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die weltweite Religionsfreiheit geschaffen. Die Religionsfreiheit ist von zentraler Bedeutung in Deutschlands werteorientierten Außenpolitik. In der Entwicklungszusammenarbeit wird unsere Strategie „Religionen als Partner der Entwicklungszusammenarbeit“ zunehmend wichtiger und ist Grundlage für die Zusammenarbeit.
 
Menschenrechtsverletzungen erfolgen beispielsweise auch immer öfters in Form erpresster Geständnisse, die dann als Beweis zur Schau gestellt werden. Brauchen wir Menschenrechte 2.0 – für das Internet?
Nein, die Menschenrechte gelten universell, natürlich auch im Netz. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Kommunikation im Netz wird geregelt vom Völkerrecht, regional geltenden Rechten, staatlichen Rechten bis hin zu Gemeinschaftsstandards und Geschäftsbedingungen der hier Kommunizierenden. Diese Regeln immer wieder kritisch zu betrachten, zu überprüfen und anzupassen, halte ich für sehr sinnvoll, da sich die technischen Gegebenheiten (z. B Social Bots, Hassrede) permanent ändern. Aber es werden sich eben nicht alle an diese Regeln halten, auch Staaten nicht, dass im negativen Sinne „beste“ Beispiel ist hier Russland.
 
Wie verändert sich die Wahrnehmung der Menschenrechte, reduziert auf den einzelnen Bürger, wenn die Realität in den sozialen Medien, besonders durch Populisten und z.B. durch Fake News, verzerrt wird?
Fake News sind oft so manipulativ formuliert, dass es leichtfällt, sie zu glauben. Verstärkt werden sie durch viele Follower und/oder Likes, also die massenhafte Unterstützung und Mobilisierung. Wird dieses Vorgehen zum Mittel der Politik, können so Konflikte und im schlimmsten Fall auch Unruhen provoziert werden. In einigen Ländern lassen sich solche Entwicklungen beobachten. Auch für religiöse oder ethnische Minderheiten kann dies zum Problem werden: Diese werden durch Fake-News diskreditiert oder für angebliche Gewalttaten verantwortlich gemacht, woraufhin Repressionen bis hin zu körperlicher Gewalt folgen. Hier sehen wir ganz real, welchen negativen Einfluss Fake-News auf Menschenrechte haben können.
 
Welche Gefahren, im Besonderen für die Demokratien, resultieren hieraus?
Ich sehe hier die größte Gefahr in der Verunsicherung, die bei den Menschen provoziert wir. Diese Verunsicherung kann dann auch zu komplettem Desinteresse an der Politik und der Gemeinschaft führen. Gefährlich Populisten machen sich diese Verunsicherung zunutze, um die Menschen für sich und ihre demokratiefeindlichen Ziele einzuspannen und unsere Gesellschaft zu spalten. Einfache Lösungen und die Gegenüberstellung von “gut und böse”, “wir und die” sind die Antworten von Populisten auf komplexe Probleme und werden gern angenommen.
 
Wie stark ist das Recht auf Religionsfreiheit betroffen, wenn in sozialen Medien z.B. gegen Juden, Muslime, Christen, Jesiden, … gehetzt wird?
Hetze gegen Menschen, aus welchen Motiven und in welchem Medium auch immer, stellt immer eine Menschenrechtsverletzung dar. Hetze gegen Menschen aus religiösen Gründen ist immer auch ein Angriff auf die Religionsfreiheit.
 
Was sind die Konsequenzen, teils von staatlicher Seite geförderter, Hetze? (eventuell ein konkretes Beispiel)
Im schlimmsten Fall könnte daraus auch ein kriegerischer Konflikt entstehen. Bundeskanzlerin Merkel sagte im Februar 2019 anlässlich der Eröffnung der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin: „Deshalb müssen wir lernen, auch mit sogenannten Fake News als Teil einer hybriden Kriegsführung umzugehen.“
 
Wie können gläubige Christen und Christinnen dem entgegentreten?
Wir können dem immer entgegentreten durch unser eigenes Verhalten, geduldiges Zuhören und Nachfragen, Vermitteln in schwierigen Situationen. Aber, wir müssen auch den Mut haben, dort wo wir Unrecht erkennen, unsere Stimme zu erheben. Laut und deutlich.
 
Wie kann uns Christen, aber auch Juden, Muslimen… der Glaube dabei behilflich sein?
Unser Glaube stärkt uns, gibt uns Mut und Kraft. Gott steht uns zur Seite, bestärkt uns in unserem Tun. Gut wäre es auch, wenn wir mehr miteinander reden und auch gemeinsam beten, über die jeweiligen Grenzen unserer eigenen Religion hinaus.
 
Ich danke Herr Klein für das ausführliche und ehrliche Interview. Allen, die mehr über ihn und seine Arbeit erfahren möchten, empfehlen ich seine Webseite unter volkmarklein.de.
 
David Fuhrmann
 
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Vorträge – Der ZOCD bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal
 
Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de