Autor: Jan Gehm
Ort: Libanon
Format: Text
Thema: Politik, Religion, Minderheiten
Datum: 13.12.2022
Portal: www.zocd.de  
Textdauer: ca. 5 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Konferenz zur Zukunft des Christentums im Nahen Osten: “Christians of the East between Extinction and the Restoration of the Role” in Beirut, Libanon

Quelle: ZOCD e.V., Jan Gehm
Bildquelle: ZOCD e.V., Jan Gehm

Konferenz zur Zukunft des Christentums im Nahen Osten: “Christians of the East between Extinction and the Restoration of the Role” in Beirut, Libanon

Jan Gehm berichtet im Namen des ZOCD von der Middle East Christians' Conference:

Die Konferenz „Christen im Nahen Osten – zwischen Auslöschung und Wiedergewinnung ihrer Rolle“ fand vom 12.–13. November 2022 in Beirut, Libanon statt. Das libanesische Bündnis Christian Front hatte dazu aufgerufen, sich mit der Zukunft der Christen im Nahen Osten auseinanderzusetzen und für diesen Anlass verschiedene politische Vertreter aus Ländern des Nahen Ostens und von außerhalb eingeladen. Dem Aufruf waren Repräsentanten von politischen Parteien und zivilen Organisationen aus dem Libanon, Syrien, der Türkei, dem Irak, Ägypten, Armenien, aus Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika gefolgt. Der ZOCD (Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland) war einer dieser auf der Konferenz vertretenen Organisationen. Die Veranstaltung wurde von der Moderatorin Rania Zahra Charbel eröffnet, die alle Teilnehmer begrüßte. Besonders begrüßte sie den anwesenden Ibrahim Mrad, den politischen Führer der Universal Syriac Union Party im Libanon.

Quelle: ZOCD e.V., Jan Gehm
Bildquelle: ZOCD e.V., Jan Gehm

Als erster Redner sprach Dr. Imad Chamoun vom Vorstand der Christian Front über das Anliegen der Konferenz. In verschiedenen Sprachen begrüßte er alle Teilnehmenden und betonte die Wichtigkeit des Treffens. Das Christentum sei in Gefahr und diese Konferenz solle dazu dienen, die Anliegen aller Christen im Nahen Osten zu thematisieren und eine Stimme zu geben. Chamoun betonte auch die Bedeutung der Teilnahme von Vertretern aus Europa, wo heute ebenfalls eine große Anzahl von Christen aus dem Nahen Osten lebt. Deshalb sei es auch Ziel der Christian Front, sich nicht nur für den Libanon einzusetzen, sondern auch ein Bündnis zu bilden, das sich global engagieren will, so Chamoun. Der zweite Beitrag der Konferenz kam von Dr. Michel Chamaii, der die gegenwärtige Lage von Christen thematisierte. Christen, die bereits den Nahen Osten verlassen haben, seien trotz ihrer Abwesenheit im Land immer noch aktiv. Für das Leben der Christen vor Ort ist der Wert der Freiheit fundamental wichtig. Dr. Chamaii rief dazu auf, dass Christen sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen engagieren sollen. Zudem nannte er ein föderales Systems als Möglichkeit, dass Christen mehr Souveränität besitzen könnten, ohne von dem Schutz anderer abhängig zu sein. Der dritte Vortrag über die Geschichte, Existenz und die Zukunft von nahöstlichen Christen wurde von dem Historiker Dr. Amine Iskandar gehalten. Iskandar erläuterte verschiedene historische Ereignisse und die Bedeutung der Sprache für die Identität der Christen im Libanon. Mit der Einführung des Arabismus im Libanon hat die syrische Sprache an Bedeutung verloren. Deswegen sei es weiterhin wichtig, die Sprache in den Schulen zu vermitteln. „Es ist unser Fehler als Christen, uns an andere Identitäten anzupassen“, so Iskandar. „Die Bewahrung der Identität ist das Wichtigste in dieser Situation“, fuhr er fort. Neben verschiedenen Punkten forderte Iskandar auch zum Kampf gegen die Korruption und Unsicherheit auf, die im Land herrscht. Zum Abschluss der Reihe hielt Professor Wael Kheir einen Vortrag zum internationalen Schutz für gefährdete Gruppen. Themen waren dabei Menschenrechte und ihre Realisierung. Besonders ging es um die historischen Dimensionen. Zwischen den Beiträgen selbst gab es immer wieder Zeit für Kommentare und Kritik über inhaltliche Punkte der Vorträge.

Nach den verschiedenen Impulsen wurden Videobotschaften von Leuten aus der ganzen Welt abgespielt, die Grußworte sprachen und die Bedeutung der Konferenz betonten. Unter anderem sprachen Professor Gabriel Sawma, (ehemaliger Berater der US-Regierung für nahöstliche Angelegenheiten), Nadine Maenza (Vorsitzende der International Religious Freedom (IRF) Secretariat) und Dr. Walid Fares (US-Außenpolitikexperte und Ko-Generalsekretär der Transatlantic Parliamentary Group). Sie sicherten aus verschiedenen Ländern ihre Unterstützung zu, um an der Zukunft der christlichen Präsenz im Nahen Osten gemeinsam zu arbeiten.

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Bildquelle: ZOCD e.V., Jan Gehm

Schließlich gab es nach den inhaltlichen Impulsen, Statements der Repräsentanten der verschiedenen Delegationen. Sie trugen ihre Anliegen, die für ihren Kontext wichtig sind, dem Publikum vor und betonten damit verbundene politische Forderungen. Zum Abschluss dieser Statements teilten sich die Delegationen in Arbeitsgruppen, in denen Forderungen für ein gemeinsames Abschlussdokument zur Zukunft von Christen im Nahen Osten formuliert wurden. In der gemeinsamen Erklärung bekräftigten die Delegationen der verschiedenen Länder die Notwendigkeit der Wahrung der Existenz mit pluralistischen, kulturellen und religiösen Strukturen im Nahen Osten. Außerdem müsse der Geist der Koexistenz und Solidarität innerhalb der Menschen einer Nation bewahrt werden, um das Ziel der Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in Rechten und Pflichten zu erreichen. Eine Forderung der irakischen Delegation war die Selbstverwaltung der Menschen in der Ninive Ebene und ihrem historischen Land. Die syrische Delegation forderte für die Zukunft Syriens einen demokratischen, pluralistischen, säkularen und dezentralisierten Staat, der allen Regionen eine gewisse Selbstverwaltung in einem föderalen Syrien zusichert. Das Besondere an dieser Konferenz war, dass nur zivile Akteure beteiligt waren, die sich unabhängig von konfessionellen und politischen Unterschieden für die Zukunft des Christentums aussprachen.

Jan Gehm