Autor: Ferit Tekbas

Ort: Berlin, Deutschland

Kategorie: Interview

Rubrik: Gesellschaft

Datum: 25.05.2018

Portal: www.zocd.de

Textdauer: ca. 7 Min.

Sprache: Deutsch

Titel: Interview mit Mitri Sirin

 

 
 

Interview mit Mitri Sirin

Mitri Sirin ist deutscher Fernsehmoderator, dessen Wurzeln im syrisch-türkischen Grenzgebiet liegen. Zu seinem Werdegang interviewte ihn Ferit Tekbas.

Ferit Tekbas: Lieber Mitri, im Namen vom Vorstand des Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland e.V. und des Zentralrat zur Förderung und Schutz der Kultur der Rum-Orthodoxen Christen von Antiochien  e.V. und unserem Volk möchten wir Dir ganz herzlich für dieses Interview danken. Unsere Leser und das Rum – Orthodoxe Volk sind sehr gespannt auf die Stationen, die dich zu deiner erfolgreichen Karriere geführt haben. Wie hast du deine Passion zum Journalismus gefunden und wie bist du zum Fernsehen gekommen?

Mitri Sirin: Im Nachhinein muss ich sagen, das viel Zufall im Spiel war. Nach meinem Zivildienst bin ich zunächst nach Berlin gezogen ohne konkret zu wissen, was ich eigentlich genau machen will. Ich bin zu einem Freund in eine WG gezogen. Dort lief immer nur ein Radiosender, der mir wegen der Musik auch sehr gut gefiel. Die Station hieß Kiss FM Berlin. Weil die Moderatoren dort alle ziemlich unprofessionell klangen, dachte ich mir, eine Bewerbung dort kann nicht schaden. Und tatsächlich klappte es dort. 

Da der Sender sich in der Gründungsphase befand, wurde mir ziemlich schnell relativ viel Verantwortung übertragen, was eigenständiges Arbeiten erforderte und eine schnelle journalistische Entwicklung nach sich zog. Schon im ersten Jahr durfte ich Beiträge schneiden, Künstler interviewen, Musikabläufe erstellen, als Reporter arbeiten und ganze Sendungen moderieren. Zwischendurch arbeitete ich auch für einige TV Stationen aber bis 2005 hauptsächlich fürs Radio. Erst danach wechselte ich komplett zum Fernsehen. Ich war als Nachrichten- und Magazin-Moderator beim RBB und WDR und dann ab 2009 bei Europas größtem Fernseh-Sender, dem ZDF. Dort moderiere ich hauptsächlich das ZDF Morgenmagazin, zwischendurch aber auch Sondersendungen oder die Heute Nachrichten. 

Ferit Tekbas: Kannst du uns etwas zu deiner Familie erzählen? Wer sie genau sind, woher sie stammen und wie sie damals nach Deutschland gekommen sind?

Mitri Sirin: Meine Eltern folgten Ende der 60er Jahre, wie so viele andere Südeuropäer auch, dem Ruf der damaligen Bundesrepublik Deutschland nach Arbeitskräften und ließen sich dann als sogenannte „Gastarbeiter“ in der westfälischen Provinz Rheine nieder. Wegen der Textil-Industrie. Die Hoffnung auf mehr Wohlstand und eine bessere Zukunft für sich und die Kinder spielten dabei natürlich eine wichtige Rolle. Und jetzt habe ich selber Familie. Ich lebe mit meiner Frau und meinen 3 Kindern (10, 15 und 19 Jahre) in Berlin-Tempelhof.

Ich habe meine Kinder vor vielen Jahren in Samandag taufen lassen und die Gelegenheit wahr genommen auch meine Schwiegereltern mit der Geschichte Hatays vertraut zu machen. Die Gegend hat ja eine bewegte Geschichte. Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches wurde die Provinz 1918 von den Franzosen besetzt, die sie innerhalb ihres Syrien-Mandates  verwalteten. Nach dem Ablauf dieses Mandates beschloss die Provinz Hatay 1939, Teil der Türkei zu werden. Dennoch blieben die Bewohner dieser Gegend in ihrem Selbstverständnis auch Syrer. Antakya heißt es, ist wie ein kleines Syrien, denn hier wie dort leben Sunniten, Alawiten, Türken, Araber, Kurden und Christen. Zu letzteren gehört meine Familie.

Mein Großvater Edmon hat alles erlebt. Er hat erlebt, wie sich die Grenzen seiner Heimat verschoben haben. Er hat erlebt, wie es der christlichen Minderheit in dieser überwiegend muslimischen Gegend ergangen ist. Und er hat mit angesehen, wie seine Familie sich zerstreut hat. Aus allen möglichen Gründen: Die einen gingen, um ein besseres Leben zu finden; Wirtschaftsflüchtlinge nennt man diese Menschen heute. Andere flohen vor Verfolgung, und jetzt fliehen einige meiner Verwandten vor dem Krieg. 

Ferit Tekbas: Hast du viele Verwandte die aktuell noch in Samandag oder in Syrien leben?

Mitri Sirin: Nur ein kleiner Teil meiner Verwandtschaft lebt in Syrien. Die meisten sind wegen des Krieges aber geflohen. Mein Onkel Michel ist das einzige von 6 Kindern, das in Samandag geblieben ist. Der Rest lebt in Deutschland und der USA. Es ist immer wieder ein schönes, aber leider viel zu seltenes Ereignis wenn die ganze Familie aus allen Ecken der Erde zusammenkommt, um entweder gemeinsam Weihnachten oder Ostern zu feiern. 

Ferit Tekbas: Mitri, du bist in Deutschland geboren. Was sind deine Eindrücke bzw. Erinnerungen an Samandag und wann warst du zuletzt zu Besuch dort? Hast du vor in Kürze dorthin zu reisen?

Mitri Sirin: Ich kann mich noch sehr gut an die beschwerlichen Reisen von Deutschland nach Samandag erinnern. Früher waren wir sehr lange im Auto unterwegs. Das war für uns Kinder immer ein sehr aufregendes Abenteuer, aber auch anstrengend, beispielsweise weil meine Schwester und ich uns auf der Rückbank immer um den besten Schlafplatz gestritten haben. 

Als wir nach 4 Tagen endlich in Samandag angekommen sind, war die Freude groß. Ich habe tolle Erinnerungen an diese Zeit, viele Verwandte, spektakuläre Natur und natürlich intensiver Familienaustausch. 

Das letzte Mal war ich 2005 in Samandag, als ich meine Tochter und mein Sohn habe taufen lassen. Es wird also wieder höchste Zeit. Ich muss nur meine Termine besser koordinieren.

Ferit Tekbas: Vielen Dank Mitri das du dir die Zeit für das Interview genommen und uns einige Einblicke in dein Leben gewährt hast. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg, dir und deiner Familie Gottes Segen.

 
 

Ferit Tekbas

Vorstandsmitglied ZOCD