PDF Herunterladen
Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte geben ausschließlich deren Meinung wieder und nicht die der bearbeitenden Redaktionen und Veröffentlichungsplattformen
 
Autor: Berthold Gees
Ort: Köln, Deutschland
Format: Text
Thema: Gesellschaft
Datum: 01.02.2021
Portal: www.zocd.de
Textdauer: 7 min.
Sprache: Deutsch
Titel: Huys – Eine armenische Privatinitiative

Huys – Eine armenische Privatinitiative

 
Vor ca. zwei Monaten starteten zwei junge erwachsene Armenier aus Köln die Initiative „HUYS“ auf den Plattformen Facebook und Instagram. Huys (arm. Հույս = Hoffnung) möchte insbesondere nach den letzten Monaten voller Krieg, Tod und Leid, den Menschen in Armenien und Berg-Karabach (arm. = Arzach) etwas Hoffnung schenken. Dabei war es wichtig, dass die Hilfe schnell, effizient und langfristig den Menschen zugutekommt.
 
Kinderpatenschaften erschienen hierfür als geeignete Möglichkeit – nicht zuletzt deswegen, weil die Initiatoren selbst seit vielen Jahren positive Erfahrungen mit einer Kinderpatenschaft gemacht hatten. Weil „das Rad“ nicht selbst neuerfunden werden und die Hilfe schnell bei den Menschen ankommen sollte, begannen die Gründer (nach gründlicher Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen) bereits bestehende und anerkannte Hilfsorganisationen vorzustellen, welche Patenschaften anbieten.
 
Die aktuellen Aufgaben und Ziele lassen sich entsprechen in folgenden Punkten zusammenfassen:
 
  • Initiative zur Erhöhung der Anzahl von Patenschaften für Kinder in Armenien und Berg-Karabach
  • Inhaltliche und qualitative Vorstellung der bestehenden Hilfsorganisationen von Patenschaften in Armenien und anderen Einzelprojekten
  • Plattform für Erfahrungsaustausch und Fragen/Antworten zu dem Thema „Patenschaften in Armenien“ (Community)
  • Pflege einer gebündelten Übersicht von zahlreichen Anbietern für Patenschaften oder ähnlichen Hilfsprojekten
  • Ansprechpartner sowohl für Interessenten als auch für die Hilfsorganisation. Beispielsweise Vermittlung von Kontakten, wenn Interessenten sich die Kosten für ein Patenkind teilen möchten
 
Huys ist eine 100 % unabhängige und für alle Hilfsorganisationen offene Plattform. Auch private Aufrufe von bedürftigen Menschen in Armenien und Berg-Karabach werden, nach sorgfältiger Überprüfung auf Seriosität, veröffentlicht. Huys erhält keinerlei Provision oder sonstiges Geld für die Verbreitung der Information oder Vermittlung von Patenschaften. Alle Aktivitäten erfolgen auf ehrenamtlicher Tätigkeit und zu gemeinnützigen Zwecken.
 
Text: Aram Dostourian, Artin Simonjan
 
Interview mit den Gründern des Projektes Huys: Aram Dostourian, Artin Simonjan
 
Herr Dostourian: Was für einen Hintergrund haben Sie, um diese Initiative einer Vermittlung von Patenschaften zu initiieren?
Zunächst sind wir Armenier, wenngleich wir auch in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Von daher fühlen wir uns ein Stück weit auch für die „Belange“ in Armenien mitverantwortlich. Unser Ziel ist es, die „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu unterstützen. Dabei sahen wir Kinderpatenschaften als ein sehr geeignetes Mittel, da eine Patenschaft in der Regel langfristig übernommen wird.
 
Herr Simonjan: Wie haben Sie die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan empfunden? Welche humanitären Probleme ergeben sich daraus auf armenischer Seite?
Es waren und sind sehr gemischte Gefühle. Von Trauer, Angst, Zorn bis zu einem gewissen „Ohnmachtsgefühl“, da man insbesondere aus ca. 4.000 km Entfernung nicht viel dagegen tun kann. Die humanitären Probleme waren in Armenien und Berg-Karabach immens. Das Land war zuvor schon stark durch die Corona-Pandemie betroffen. Der Krieg hat die Situation enorm verschlimmert. Nicht zuletzt auch deswegen, weil auch zivile Einrichtungen in Berg-Karabach wie Krankenhäuser, Schulen, Kirchen und Wohnungen gezielt angegriffen wurden. Die Hauptstadt Stepanakert wurde fast vollständig zerstört. Zu Beginn kamen dann auch Schwierigkeiten bei der Lieferung von Hilfsgütern über die georgische Grenze hinzu.
 
Herr Dostourian: Was kann man in Deutschland tun, um vor allem der notleidenden Bevölkerung zu helfen?
Seit Ausbruch des Krieges ist eine sehr hohe Spendenbereitschaft in der gesamten Diaspora zu erkennen. Neben den etablierten Institutionen, die zur Spende aufgerufen haben, gab und gibt es auch eine Vielzahl von privaten Projekten die u.E.n. unterstützungswürdig sind. Wir gehen davon aus, dass durch den Krieg die negativen Folgen für die Bevölkerung noch viele Jahre deutlich zu spüren sein werden. Daher appellieren wir an alle unsere Freunde, die Menschen in Armenien und Berg-Karabach langfristig und auf unterschiedlichsten Wegen zu unterstützen. Eine aus unserer Sicht sehr effiziente Möglichkeit ist eine Patenschaft.
 
Herr Simonjan: Welches sind Ihre Hoffnungen mit Blick auf eine Perspektive für Politik und Menschen in Armenien?
Unsere Hoffnung sind die Kinder und jungen Menschen in Armenien! Jeder, der mal in Armenien war und Kontakt zu den Familien gesucht hat, wird bestätigen können, dass es sehr viele kluge, vernünftige, patriotische, fleißige, liebevolle, und motivierte Kinder in Armenien gibt. Darüber hinaus sind es mehrere Einzelprojekte, die uns auf bessere Zeiten hoffen lassen, wie z.B. das „TUMO Zentrum“ (ein kostenloses Bildungszentrum für Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren für zukunftsorientierte digitale Bereiche und kreative Technologien).
 
Herr Dostourian: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Hilfsprojekt für armenische Waisenkinder zu initiieren?
Zunächst möchten wir richtigstellen, dass es sich nicht ausschließlich um Waisenkinder handelt. Es sind teilweise auch (Halb-)Waisen unter den Kindern dabei, aber in der erster Linie handelt es sich um bedürftige Kinder. Einer der Initiatoren unterstützt bereits seit vielen Jahren ein Patenkind. Als der Krieg in Berg-Karabach ausbrach, wollten wir den Menschen helfen. Dabei war uns wichtig, dass wir den Erhalt der Unterstützung überprüfen können und dass die Hilfe langfristig sein soll (im Gegensatz zu einer einmaligen Spende). Da - wie oben bereits erwähnt - Kinder in unseren Augen unsere Zukunft sind, war eine Kinderpatenschaft für uns das Naheliegendste. Außerdem hat die Patenschaft für uns Diasporaarmenier (insbesondere jener, dessen Vorfahren nicht aus der Republik Armenien stammen) folgenden zusätzlichen Effekt. Der Pate oder ggf. die leiblichen Kinder des/der Paten entwickeln eine Bindung zu einem Armenier in der Republik Armenien (dies ist aktuell nicht bei allen Diaspora-Armeniern der Fall). Es könnte dazu dienen, die armenische Sprache zu erlernen/aufrechtzuerhalten, einen Schüleraustausch durchzuführen uvm.
 
Herr Simonjan: Können Sie die Projektstrukturen kurz beschreiben? Wie ist die angemessene Verwendung von Geldern sichergestellt? Was möchte Sie erreichen?
Die Struktur basiert auf Einfachheit und Effizienz. Wir als HUYS stellen bestehende, anerkannte Hilfsorganisationen, die wir im Vorfeld mit bestem Wissen und Gewissen prüfen, vor und fördern damit die Vermittlung von Patenschaften. Huys dient als unabhängige Plattform für Erfahrungsaustausch und Community zum Thema Patenschaften in Armenien. Wir erhalten weder Geld von den Paten noch von den Hilfsorganisationen und sind somit 100% unabhängig und arbeiten ehrenamtlich. Durch unsere relativ hohe Reichweite haben wir innerhalb eines Monats bereits zahlreiche Patenschaften an die jeweiligen Hilfsorganisationen vermittelt. Bevor wir eine Hilfsorganisation vorstellen, erkundigen wir uns ausführlich über relevante Themen, wie z.B. die bestehenden Kontrollprozesse, um Missbrauch vorzubeugen, wie hoch der Verwaltungsaufwand ist oder ob die Organisation ein anerkanntes Spendensiegel besitzt. Bei den bisher vorgestellten Hilfsorganisationen wird den Familien in Armenien kein Bargeld übergeben, sondern mit den Beiträgen zur Patenschaft werden Nahrungsmittel, Kleidung, Schulmaterial, Medizin, Brennholz und andere notwenige Sachgüter finanziert. Was möchten wir erreichen? Die Antwort ist unsere „Wunschvorstellung“. Unsere Wunschvorstellung ist, dass jede armenische Familie in Deutschland bzw. der Diaspora, aber auch alle „Freunde von Armeniern“ mind. ein Kind bzw. eine Familie in Armenien unterstützen. Bei dem aktuellen Verhältnis zwischen Diasporaarmeniern und Bürgern der Republik Armenien ist dieses Ziel zwar ambitioniert, jedoch nicht unmöglich.
 
Herr Dostourian: Wie kann man Ihr Projekt unterstützen? Können möglicherweise auch Spendenquittungen ausgestellt werden?
Am einfachsten ist es per eMail huyspatenschaften@gmail.com, oder wenn man unsere Seiten auf Facebook und Instagram besucht. Dort kann man auch mit uns in Kontakt treten. Wir geben gerne auch telefonisch detaillierte Informationen zu den Möglichkeiten einer Patenschaft. Die bisher vorgestellten Hilfsorganisationen sind auch berechtigt Spendenquittungen auszustellen.
 
Dr. Berthold Gees
3.2.2021
 
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
 
Vorträge – Der ZOCD bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal
 
Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de