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Autor: Berthold Gees
Ort: München, Deutschland
Format: Text
Thema: Gesellschaft
Datum: 15.05.2020
Portal: www.zocd.de
Textdauer: ca. 7 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Die Wertegrundlagen des Glaubens bewusst machen und leben! - Vorsitzender des ZOCD tritt für eine offene Debattenkultur ein
  

Daniela Hofmann und Gabriel Georgs im syr.-orth. Kloster Warburg (© Daniela Hofmann) 

  

Die Wertegrundlagen des Glaubens bewusst machen und leben!

Vorsitzender des ZOCD tritt für eine offene Debattenkultur ein

 

Herr Gabriel Georgs ist politisch und kirchlich äußerst aktiv, gehört der Syr.-Orthodoxen Kirche an, kam in Deutschland auf die Welt und ist erster Vorsitzender eines Vereins, dem mehrheitlich deutsch–orientalische Christen angehören. Der Verein engagiert sich in Sachen Menschenrechte und Religionsfreiheit. Er plädiert dafür, dass insbesondere Christen aus nahöstlichen Glaubensgemeinschaften in Deutschland Stimme und Gehör finden, dies auch vor dem Hintergrund, dass europäisches Christentum ohne seine nahöstlichen Wurzeln undenkbar ist. Dafür ist eine offene Debattenkultur unverzichtbar. Am 15.5.2020 gab Herr Gabriel Georgs das nachfolgende Interview:

 

Wie sehen Sie die Doppelspitze des Zentralrates, die von vielen kontrovers eingestuft wird. Sie agieren in dieser Doppelspitze als Erster Vorsitzender.

Der ZOCD ist für mich die Chance, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. In einem Verein, der sich für ein friedliches Miteinander engagiert, basierend auf religiös begründeter Moralvorstellungen, die sich aus den Kerninhalten des Christentums speisen. Die Doppelspitze zeigt mir, dass wir in Deutschland angekommen sind, an der Gesellschaft partizipieren, wir alle gleichgestellt zusammenleben. Egal ob Mann oder Frau. Egal ob katholisch, evangelisch oder syrisch-orthodox. Das ist die Essenz unseres Glaubens, verankert in der Region, aus der wir einst kamen. Angelehnt an die Bergpredigt Jesus Christus, dessen Sprache (Aramäisch) viele von uns noch heute sprechen und nach Europa, Deutschland gebracht haben.

 

Was sagt das über ihre Heimat und Demokratie aus?

Ich habe das Glück, in einer Demokratie auf die Welt gekommen zu sein. Sämtliche Vorzüge in einer freiheitlichen Gesellschaft leben zu dürfen. Meine spirituelle und auch kulturelle Heimat ist auch der Tur Abdin (Aramäisch – Berg der Knechte Gottes). Von hier aus hat sich die Kernbotschaft des Christentums weiterverbreitet. In die gesamte Welt hinaus.

 

Der ZOCD wurde einst gegründet, um den verfolgten Christen eine Stimme zu geben. Das war 2013. Haben sich die Aufgaben geändert?

Nach wie vor ist der ZOCD die Stimme der verfolgten Christen. Doch hat sich seit der Gründung, im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings, vieles geändert. Neben dem Aspekt der Religionsfreiheit, welche in den Ursprungsländern unserer Eltern und Großeltern immer noch zu wünschen übrig lässt, kommen populistische Tendenzen in Europa hinzu, die uns ebenfalls Sorgen bereiten. Zu leicht werden Gesellschaften, besonders mit nahöstlichem Hintergrund, durch Angst manipuliert und von Dogmatikern instrumentalisiert. Gerade hier müssen wir ansetzen, indem wir auch zuhören und die Ängste der Menschen wahrnehmen. Entsprechend wollen wir das auch auf der medialen als auch politischen Ebene tun. Das wird aber nicht funktionieren, indem wir Demonstranten z.B. pauschal als rechts, links oder Verschwörungsspinner stigmatisieren. So treiben wir sie nur in die Hände derer, die ihre Angst für die eigenen Zwecke nutzen.

 

Wie kann der ZOCD positiv auf die Herausforderungen antworten?

Indem wir uns als Verein für Nächstenliebe, Frieden und sachliche Aufklärung einsetzen. Dabei dürfen wir, vor allem im publizistischen Rahmen, niemals die Objektivität und Sachlichkeit aus den Augen verlieren.

 

In diesem Zusammenhang, im Sinne der subjektiven Wahrnehmung, hat der junge Verein vielleicht Fehler gemacht. Wie hat man daraus gelernt?

Es gilt den Verein in ein ruhiges und ausgewogenes Fahrwasser zu manövrieren. Populisten und Extremisten haben in unseren Reihen nichts zu suchen. Die goldene Mitte ist der Weg. In der Vergangenheit wurden hier Fehler gemacht. Oftmals aus Rücksicht gegenüber den emotionalen Empfindungen vieler. Ebenfalls ein Lernprozess war es zu begreifen, dass, im Gegensatz zu nahöstlichen Gepflogenheiten, die Erwartungshaltung, aber auch die Begeisterung gegenüber einzelnen Persönlichkeiten, die in ihrem Schaffen markant sind, im mitteleuropäischen Kontext anders aufgefasst wird. Im Ergebnis bedeutet das, dass der Verein dem „Team“ hinter den Aktivitäten mehr Priorität beimessen wird. Transparenter, ausgeglichener, vielfältiger… Deswegen begrüße ich auch die Doppelspitze.

 

Frieden durch Dialog, das jedenfalls der Slogan des Vereins, steht doch im Widerspruch zu einer Debattierkultur?

Der Slogan „Frieden durch Dialog“ ist die Mutter der Debattierkultur. Nur wenn man sich dem friedlichen Konsens, der friedlichen Debatte, dem friedlichen Streitgespräch hingibt, sich andere Meinungen und Sichtweisen auch anhört, erreichen wir ein friedliches Miteinander.

 

Und der ZOCD versteht sich als mediale, politische und gesellschaftliche Plattform, welche die demokratische als auch christliche Debattenkultur verfolgt?

Absolut. Dies nicht nur in Bezug auf verfolgte Christen, sondern themenübergreifend. In Deutschland sieht man z.B., gerade jetzt während der Corona - Krise, dass Menschen verängstigt sind. Die nahöstlichen Kirchen hier haben Hundertausende Mitglieder, die sonntags nicht mehr in den Gottesdienst können. Wie erklärt man diesen Menschen nun, was es mit dem Virus auf sich hat? Noch wichtiger, wie nimmt man ihnen die Angst? Viele fallen in traumatische Erlebnisse zurück, die sie aus der Heimat kennen.

 

Kommt dadurch das Thema Religionsfreiheit, Verfolgung von Andersdenken nicht zu kurz?

Nein, überhaupt nicht. Die Konzentration liegt immer noch auf der Religionsfreiheit und die gleichwertige Behandlung aller Menschen, so wie wir es in unserer neuen Heimat kennen. Die Arbeit von Simon Jacob, dem ehemaligen Vorsitzenden des Vereins, der journalistisch sehr aktiv war und immer noch ist, bildet hier einen unschätzbaren Basiswert. Seine Expertise ist einmalig und bildet eine besondere Wissensquelle für uns. Doch müssen wir uns auch weiterentwickeln und dem Zeitgeist anpassen. Und dieser erfordert nun einmal die Beschäftigung mit Themen, die auch mehrere Kulturkreise betreffen und wo es oft Überschneidungen gibt.

 

Herr Jacob, der ehemalige Vorsitzende und Gründungsmitglied des ZOCD, ist vielen in vielerlei Hinsicht noch in Erinnerung. Wie ist das Verhältnis zum Journalisten und Christen Simon Jacob?

Ich zolle Herrn Jacob den gebührenden Respekt. Er ist ein Mensch, der ständig das eigene Leben gefährdet hat, um die bereits erwähnte Expertise zu erlangen und dadurch auf Missstände hinweisen konnte, die, gefühlt, von den Medien zeitweise ignoriert wurden. Es gibt nicht viele Menschen, die sich solch einer Lebensgefahr aussetzen, ohne den moralisch - christlichen Kompass zu verlieren. Doch war es auch an der Zeit, dass er seinen Weg geht. Und dieser ist, nach der Gründung und dem Aufbau der Strukturen, basierend auf seinen eigenen Wünschen und seiner Natur, seine persönliche Angelegenheit. In der Redaktion und als politischer Berater bleibt er uns weiterhin erhalten. Möge ihn der Herr überallhin begleiten und schützen.

 

Wir danken Herrn Georgs für das Interview und wünschen ihm viel Kraft und Erfolg bei seinen neuen Aufgaben.

 

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Vorträge – Der ZOCD bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal

 

Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de