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Autor: Valentin Hoffmann
Ort: Augsburg, Deutschland
Kategorie: Interview
Rubrik: Gesellschaft
Datum: 20.01.2019
Portal: www.zocd.de 
Textdauer: ca. 5 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Die Situation der Suryoye im Nahen Osten – Interview mit Yawsef Beth Turo
 
 

Die Situation der Suryoye im Nahen Osten – Interview mit Yawsef Beth Turo

 

Yawsef Beth Turo ist ein Mann, der sich selbst zum Volk der Suryoye (“Suryoye” ist die Eigenbezeichnung der Aramäer, Assyrer und Chaldäer. Die Suryoye sind eines der ältesten christlichen Völker der Welt und stammen aus dem ehemaligen Mesopotamien. Seit Jahrhunderten verfolgt und vertrieben leben die staatenlosen Suryoye verstreut auf allen Kontinenten.) zählt und ursprünglich aus der Türkei stammt. Heute lebt er in den Niederlanden. Er moderiert  Talkformate für einen aramäisch sprachigen Fernsehsender (Suroyo TV) und verbrachte viel Zeit im Nahen Osten, so auch in Syrien. Am 20.01.2019 hielt er einen Vortrag in der Syrisch-Orthodoxe Kirche in Augsburg, bei dem es um die Situation der Suryoye im Nahen Osten und speziell in Syrien ging. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Thema Schulen und der Lehre der aramäischen Sprache. In einem englisch geführten Interview mit Valentin Hoffmann, der im Auftrag des Zentralrates Orientalischer Christen in Deutschland anwesend war, äußerte sich Beth Turo zu verschiedenen Themen:

Valentin Hoffmann: Wie sicher ist es für Suryoye und wie werden sie behandelt?

Yawsef Beth Turo: „Syrien ist mittlerweile relativ sicher, denn der IS wurde weitestgehend aus dem Nord-Osten des Landes vertrieben. Mein Volk wird im Grunde gut behandelt und ist sicher, aber es besteht die Angst, dass sich nach dem Abzug der U.S. Truppen wieder radikale Mächte und Terrororganisationen im Land durchsetzen. Im Süden des Landes wird es auch immer sicherer, die Situation ist hier besser als zuvor. Aus diesem Grund kehren mehr und mehr Suryoye (Christen) in die Regionen zurück.“

Hoffmann: „Wie steht Assad zu den Suryoye (Christen)?“

Beth Turo: „Für Assad gehören die Suryoye (Christen) zum Regime, er sieht sie aber mehr als Araber und nicht als eigene Kultur.“

Hoffmann: „Und wie ist die Situation in der Türkei?“

Beth Turo: „In der Türkei leben leider kaum noch Suryoye und werden auch nicht gut behandelt. Dadurch, dass sie enge Beziehungen mit den Kurden pflegen, haben sie ein schlechtes Ansehen in der Türkei und werden ebenfalls wie Terroristen behandelt.“

Hoffmann: „Im Vortrag haben Sie das Problem angesprochen, dass sehr wenige  junge Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren im Land sind. Was macht das mit der Gesellschaft?“

Beth Turo: „Das ist sehr schlecht für die Gesellschaft, denn man braucht diese Gruppe an Menschen als Arbeitskräfte und als treibende Kraft generell. Leider haben viele Männer Angst an der Front zu kämpfen und haben das Land deswegen verlassen. Ich denke, jetzt, da sich die Lage beruhigt hat, werden sie zurückkommen.“

Hoffmann: „Sie sind auch auf die Bildungssituation der Suryoye eingegangen. Ist es möglich, die aramäische Sprache zu erlernen?“

Beth Turo: „Ja, es ist durchaus möglich im Nord-Osten des Landes die aramäische Sprache zu erlernen. Auch Kinder anderer Ethnien nehmen teil, denn die Schulen vermitteln noch den gleichen Lehrplan wie aus dem Regime, weswegen Eltern, die pro Regime sind, ihre Kinder dort anmelden.“

Hoffmann: „Während dem Vortrag kam es zu einer kleinen Diskussion zwischen den Teilnehmern der Veranstaltung. Um was ging es dabei?“

Beth Turo: „Einige der Teilnehmer sind auf der Seite des Regimes und vertreten die Meinung, dass die Suryoye sich diesem anschließen sollten. Meiner Meinung nach wäre es jedoch besser sich den „Demokratischen Kräften Syriens“ (SDF) anzuschließen, denn diese erlauben es uns unsere Kultur auszuleben, während Assad und das Regime uns nicht wirklich individuelle Freiheiten gewährten. Wenn das Regime sich dahingehend ändern sollte, dann könnte man sich nochmal drüber unterhalten.“

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich nach Ansicht von Yawsef Beth Turo  die Situation der Suryoye in Syrien durch das allmähliche Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen deutlich verbessert hat. Die Möglichkeiten sich selbst verwirklichen zu können, schätzt er für die vom SDF gehaltenen Gebiete größer ein, als für die vom Regime kontrollierten Regionen. Besonders wichtig sei es, dass die jungen Männer in ihre Heimat zurückkehren und dabei helfen, sie wieder aufzubauen

Ich danke Yawsef Beth Turo für die Zeit und die Möglichkeit, das Interview mit ihm führen zu können.

 

Valentin Hoffmann