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Autor: David Fuhrmann

Ort: Deutschland, Israel

Format: Text

Thema: Gesellschaft

Datum: 30.07.2023

Portal: ZOCD.de

Textdauer: 5 Minuten

Sprache: Deutsch

Titel: Die EJKA feiert 75 Jahre Israel!

 

 

Die EJKA feiert 75 Jahre Israel

 

Vor 75 Jahren, am 14. Mai 1948, proklamierte Israels erster Premierminister David Ben Gurion den Staat Israel. Anlässlich dieses Jubiläums lud die Europäische Janusz Korczak Akademie (EJKA) gemeinsam mit der Jewish Agency for Israel zu einer Feier ein.

 
Die EJKA ist eine jüdische Stiftung, die 2009 gegründet wurde, die der breiten Gesellschaft offensteht. Ihr Ziel ist es, durch Vermittlung von Wissen die jüdische Gemeinschaft zu stärken, sie zu öffnen und Berührungsängste in allen Richtungen abzubauen. Die Akademie hat sich einen Ruf als erfahrener und kompetenter Partner für Jung und Alt in der Bildungsarbeit erworben, mit besonderen Schwerpunkten in der jüdischen Kulturvermittlung und im interreligiösen und interkulturellen Dialog. Gerade ihre interkulturelle und interreligiöse Ausrichtung öffnet ihre Angebote darüber hinaus für ein breites Publikum und sorgt so für rege Teilnahme auch jenseits der jüdischen Zielgruppen.

Da sich der Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland ebenfalls für den interkulturellen und -religiösen Dialog einsetzt, waren wir ausgesprochen erfreut über die Einladung. Dazu folgt eine kurze Stellungnahme vom Vorsitzenden des ZOCD, Simon Jacob, der bei der Veranstaltung zu Gast war:

 

„Mit der EJKA bin ich bereits, auch stellvertretend für den ZOCD, vor vielen Jahren in Kontakt gekommen. Als Referent nahm ich an Bildungsveranstaltungen teil, so beispielsweise am 24.02.21, mit dem Schwerpunkt: „Medienstrategien gegen den modernen Antisemitismus“. Als Christ mit nahöstlichen Wurzeln muss ich auch meinen Mitmenschen und mir gegenüber ehrlich sein. Antisemitismus ist keine Thematik, die nur den Westen, Islamisten oder Nationalsozialisten betrifft. Christen, Muslime, Atheisten in der arabischen Welt, angestachelt durch jede Menge Fake News, absurden Verschwörungstheorien usw. hegen ebenfalls, und dies bis in die Eliten der Gesellschaft hinein, zumindest eine sporadische Abneigung gegen alles Jüdische. Darüber offen und ehrlich zu reden ist der erste Schritt, aufeinander zuzugehen der zweite Schritt. Persönlich, als Botschafter des ZOCD und Journalist, der viele Jahre im Nahen Osten verbracht hat, ist es mir ein sehr dringendes Anliegen, Vorurteile, auf beiden Seiten übrigens, abzubauen und den menschlichen Kern offenzulegen, der jedem vernünftigen Menschen innewohnt. Dazu braucht es ein wenig Mut. Weitaus weniger, als der Namensgeber der Stiftung, Janusz Korczak, Arzt und Vorreiter für Kinderrechte, gegenüber den Nationalsozialisten an den Tag legte. Eingepfercht im Warschauer Ghetto, schlug er Angebote aus, sich selbst zu retten und blieb bei den Kindern, die er betreute. Er begleitete seine ihm in die Obhut anvertrauten Waisen bis in das Vernichtungslager Treblinka. Aus dieser Tragödie heraus können wir Menschlichkeit und Mut schöpfen, um gegen Ungerechtigkeit und Willkür unsere Stimme zu erheben. Und gemeinsam mit der EJKA, bei jedem Anlass, welcher sich ergibt, sollten wir das auch tun. Der ZOCD wird sich weiterhin an den Grundsatz des Namensgebers der Stiftung – Habe Mut zu dir selbst, und such deinen eigenen Weg (Janusz Korczak) - halten.“

 

Die Feierlichkeiten anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Staates Israels fanden in der Schrannenhalle in München statt. Die Schirmherrschaft der Veranstaltung hatte das Generalkonsulat des Staates Israels für Süddeutschland übernommen. Dabei gab es einige prominente Gäste: Neben Carmela Shamir, der Generalkonsulin des Staates Israel, und Konsul Oleksandr Prokopenko vom ukrainischen Generalkonsulat nahmen weitere Ehrengäste wie der Bezirkstagspräsident Josef Mederer, der Münchner Kulturreferent Anton Biebl und Katja Tsafrir, Delegierte der Partnerorganisation Jüdischer Nationalfonds – Keren Kayemeth LeIsrael, anwesend.

Die Jubiläumsfeier bot den Gästen ein unterhaltsames und informatives Programm. So konnten sich die Besucher an mehreren Ständen und Stationen zwischen den Programmpunkten unter anderem über die Situation der Frauen in Israel informieren und die Werke verschiedener israelischer Künstler bestaunen. Ein Highlight des umfangreichen und mehrstündigen Programms waren der Auftritt der israelischen Jugendtanzgruppe „Karmiel Flowers“, die im Rahmen eines Austauschprogramms die EJKA besuchte. Begleitet wurden die jungen Tänzer von Genya Levant, die vor 32 Jahren aus der Ukraine nach Israel kam und die Tanzschule aufbaute. Außerdem waren drei Kurzfilme über die Arbeit des EJKA-Projekts und Integrationspreisträgers „Youthbridge“ zu sehen, sowie ein sportlicher Auftritt der Tanzgruppe des Geflüchteten-Projekts „Shalom Ukraine“.

 

Aufgrund der gemeinsamen Ziele beider Vereine hat der ZOCD mit der Präsidentin der EJKA ein Interview geführt. Eva Haller, geboren in Rumänien und aufgewachsen in Wien, studierte Journalismus und Linguistik. Schon in frühen Jahren entwickelte Eva Haller Interesse an Jugendarbeit und Austausch im interreligiösen und interkulturellen Bereich und der Arbeit in sozialer Entwicklung. Diese Erfahrungen prägten sie für ihr weiteres Leben. Bereits in dieser Zeitwurde der Weg zu den Ideen von Janusz Korczak geebnet. Nach langjährigem Aufenthalt in Italien zog es Eva Haller 2006 nach München. Seit 2009 leitet sie ehrenamtlich die Europäische Janusz Korczak Akademie e.V.

 

  1. Wer war Janusz Korczak?

Janusz Korczak (1878 o. 1879 – 1942, eigentlich Henryk Goldszmit) war ein Arzt, Pädagoge und Autor, der als Vorreiter der Kinderrechte gilt. In Warschau leitete er ab 1911 das jüdische Waisenhaus Dom Sierot, wo er für seine Zeit radikale pädagogische Reformen umsetzte. Seine Pädagogik der Achtung, die er in zahlreichen Büchern niederlegte, war ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus und ist heute aktueller denn je. Nach zwei Besuchen im Mandatsgebiet Palästina in den Dreißigerjahren kehrte Korczak jeweils nach Polen zurück. Nach dem Einmarsch der Deutschen wurde auch sein Waisenhaus ins Warschauer Ghetto verlegt, wo er für die Kinder unter größten Mühen eine Art Alltag aufrechterhielt. Mehrere Angebote, sich selbst zu retten, schlug er aus – und begleitete seine Waisen Anfang August 1942 auch bei der Deportation ins Vernichtungslager Treblinka. Hier endete Korczaks Leben, doch seine Ideen, seine Hingabe und seine tiefe Menschlichkeit wirken bis heute nach.

 

  1. Was hat Sie dazu verleitet, bezogen auf sein Schaffen, eine Stiftung zu gründen?

Das waren für mich seine Pädagogik und seine Einstellung zur Würde des Menschen, speziell seine Magna Libertatis – die Formulierung der Kinderrechte. Er war ein Vorreiter, im Vergleich hat die UN die Kinderrechte erst 1965 eingeführt.

 

  1. Was sind die Ziele der Stiftung?

Wir sind eine Bildungseinrichtung, die dem Traum von Janusz Korczaks folgt. Unsere Stiftung will weiterfragen, sich auf die Suche nach Antworten begeben, die den Einzelnen, die Familie, die Gesellschaft in Bewegung bringen, im Sinne von Janusz Korczak Mitsprache ermöglichen und die Richtung vorgeben: Tikkun Olam, die „Reparatur der Welt“ durch Bildung und Erziehung. Wir hoffen damit, einen Beitrag zu einem Klima der Offenheit, des Respekts und der Toleranz leisten zu können. Gerade in Zeiten des wieder aufkeimenden Antisemitismus und der öffentlichen Verunglimpfung von Juden, jedoch auch im Kontext der aktuell mit besonderer Dringlichkeit den öffentlichen Diskurs bestimmenden Zuwanderungs- und Integrationsdebatte betrachten wir dies als eine unserer wichtigsten Aufgaben. Wie können sich nahöstlich - christlich Organisationen, wie z.B. der ZOCD, darin einbringen?

 

  1. Was ist Ihr persönlicher Wunsch, im Umgang mit anderen Kulturen und Religionen?

Wir können uns gemeinsam unsere Projekte ansehen und bei Synergien gerne kooperieren.

 

  1. Wie kann man die Jugend, kulturell übergreifend, für ein friedliches Miteinander gewinnen?

Indem wir den Dialog mit und zwischen ihnen auf Augenhöhe, respektvoll, offen, ehrlich und authentisch führen.

 

  1. Was bedeuten 75 Jahre Israel für Sie?

Sie sind für mich ein Grund für große Freude über die Existenz und positive Entwicklung des Staates. Gleichzeitig sorge ich mich aber auch um unsere demokratischen Werte in Israel und den Frieden mit unseren Nachbarn.

 

Liebe Eva Haller, ich danke Ihnen im Namen des ZOCD für dieses Interview und die Einladung zum 75. Jubiläum Israels.
 
David Fuhrmann