Doch der Hass siegte, die Wut kam, der Krieg begann. Alles an einem Tag. Ausgelöst von fanatisierten Kämpfern einer Organisation, der Hamas, die unsägliches Leid verursacht hat und hofft, damit ungestraft davonzukommen. Ein Konflikt begann, der mehr ist als nur ein Krieg zwischen der Hamas und all jenen, die auf der Seite dieser skrupellosen Täter stehen, die Frauen bestialisch vergewaltigen, Kinder gnadenlos hinrichten und ihre Gräueltaten in den sozialen Medien manipulativ als „Freiheitskampf“ verkaufen. Letztlich ist es ein Konflikt der Weltanschauungen zwischen jenen, die die Freiheit des Einzelnen verteidigen und das Recht auf ein würdevolles Leben, und denen, die ihre Macht durch autoritäre und religiös-extremistische Strukturen aufrechterhalten wollen, um zu herrschen, zu knechten und zu erniedrigen. Denn die Unterdrücker wissen, dass die Freiheit des Individuums, eingebettet in eine demokratische Gesellschaft, ihr größter Feind ist. Und Israel ist die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten.
Aber an diesem Herbstmorgen war alles anders. Ich wachte auf und mein erster Blick fiel auf mein Smartphone mit einer Nachricht, die mich intuitiv aus dem Schlaf riss. David, mein Freund, der mich auf vielen Reisen begleitet hat, schickte mir folgende Worte:
David, WhatsApp-Nachricht am 7. Oktober 2023, 13:35 Chicago-Zeit
„Ich sehe gerade die Nachrichten aus Israel...“
„Oh, Scheiße...“
„Sag Bescheid, wenn du ein Statement abgeben willst.“
David, der sich der Brisanz der Entwicklungen, vor allem im geopolitischen Kontext, sehr wohl bewusst war, mag man seine Wortwahl verzeihen. Denn was er sagte, verdeutlichte seine Einschätzung der Situation, die er im Vergleich zu vielen anderen jungen Menschen in der sich entwickelnden Dramaturgie durchaus gut einschätzen konnte.
Und so verfolgte ich die Nachrichten und blieb entsetzt und sprachlos an einem Artikel eines deutschen Nachrichtenportals hängen, das ein Video zeigte, in dem offenbar Mitbürger palästinensischer Herkunft in Berlin die bestialischen Taten der Hamas-Terroristen mit Tanz, Gesang und Süßigkeiten feierten. Nie hätte ich gedacht, dass so etwas auf deutschem Boden möglich wäre. Aber leider ist das und alles, was danach kam, Realität geworden.
Die vielen Opfer auf beiden Seiten, die markigen Sprüche aller Beteiligten, die gegenseitigen Angriffe und vor allem die kruden Verdrehungen der Tatsachen in den sozialen Medien – bis hin zu haarsträubenden Verschwörungstheorien, in denen Israel als böswillige Partei und die Hamas als freiheitskämpfende Opfer dargestellt werden – waren auch in meinem Bekanntenkreist traurige Wahrheit, die man fast ungläubig verfolgte und die einem den Atem raubte.
Wer auch nur einen Funken Logik und Rationalität in sich trägt, wird unabhängig von der kritikwürdigen Siedlungspolitik Israels erkennen müssen, dass die Hamas mit dem brutalen Terrorakt vom 7. Oktober 2023, bei dem sie ein menschenverachtendes Massaker an unschuldigen Menschen verübte, die nur friedlich feiern wollten, die Tür zum Krieg und zur Eskalation geöffnet hat. Tatsache ist, dass sich die Hamas der Konsequenzen – nämlich Opfer unter der eigenen Zivilbevölkerung in Kauf zu nehmen – vollkommen bewusst war. Wie sich später herausstellte, hat sie bewusst Angriffe auf die eigene Bevölkerung provoziert. Es ist geradezu makaber und paradox, wie sogenannte Aktivisten die terroristische Hamas unterstützen, die kein Problem damit hat, ihre eigene, überwiegend muslimische Bevölkerung leiden zu lassen, um den eigenen Machterhalt zu sichern.
Denn ohne äußeren Feind entstehen innere Feinde – Menschen, die sich nach der Freiheit sehnen, die zum Beispiel Millionen arabisch-israelischer Staatsbürger und Muslime genießen und von der die Frauen und Männer in Gaza nur träumen können, solange ein äußerer Feind suggeriert wird. Und doch gibt es sie, die Mutigen, die Wehrhaften, die logisch Denkenden, die sich nicht tatenlos zurücklehnen und das Feld jenen überlassen wollen, die Facebook, Instagram, TikTok und manche Universitäten gekapert zu haben scheinen. Darunter sind viele Atheisten, Christen und Muslime.
„Lasst uns ein Zeichen setzen“… Nihat Demir, Oktober 2023
Noch im Flugzeug auf dem Rückweg nach Deutschland dachte ich über die Ereignisse nach. Ich las die Berichte und fühlte mich in die Jahre zuvor zurückversetzt, als ich als Journalist im Irak und in Syrien tätig war und versuchte, die Brutalität des sogenannten Islamischen Staates zu begreifen. Die Erinnerungen an seine bestialischen Verbrechen, vor allem an den Jesiden, tauchten in meinem Kopf wieder auf. Ich sah die Massengräber vor mir, die geschundenen Körper der Frauen, die Überreste der ermordeten Kinder, verscharrt in einer trostlosen Gegend. Nie wieder werde ich den fanatischen und sadistischen Gesichtsausdruck derer vergessen, die damals im Irak und in Syrien vergewaltigten und mordeten. Und nie im Leben hätte ich gedacht, Berichte zu hören, die – so manche mögen sie als Fake News abtun – eine Brutalität offenbaren, die die Gräueltaten des IS noch übertrifft, eben die der Hamas.
Leider ist dies die Wirklichkeit. Die Fakten, der Schmerz, die Verluste sprechen für sich. Manche in der muslimischen Welt mögen das leugnen. Aber es ist eine Lüge gegenüber sich selbst, zu behaupten, Muslime, Araber könnten anderen Menschen so etwas nicht antun. Doch, sie können es. Und das hat nichts mit Religion oder Abstammung zu tun. Es ist der Hass auf den „Anderen“, den Minderwertigen, den Menschen zweiter Klasse – den Juden, den Ungläubigen, den Abtrünnigen, den Andersdenkenden, den Freiheitsliebenden –, der Menschen dazu bringt, anderen Menschen das anzutun, was die Hamas an diesem Tag unschuldigen Menschen angetan hat.
Aber nicht alle denken so. Viele in der arabischen, in der muslimischen Welt legen Kritik an den Tag. Denn sie sehnen sich nach einem friedlichen Zusammenleben, nach Partnerschaft, nach Gemeinsamkeiten. Und doch sprechen sie es nicht aus. Sie äußern es nicht, weil sie Angst haben. Angst vor jenen extremen Gruppierungen, die inzwischen auch das linke Spektrum unterwandert haben und so radikalisiert sind, dass eine rationale Auseinandersetzung nicht mehr möglich ist. Der weltweit aufkeimende Antisemitismus zeugt davon. Die zunehmende Gewalt gegen jüdische Studenten an deutschen Universitäten ist bittere und traurige Realität geworden.
Wie kann ich als Mensch und Journalist, gesegnet mit den Freiheiten der Demokratie, nicht aufbegehren, wenn in Deutschland wieder jüdische Mitbürger, diesmal durch Menschen nahöstlicher Herkunft, offen durch die Straßen gejagt und gedemütigt werden? Ist das Leben eines Juden oder einer Jüdin weniger wert als das eines Ausländers, der von Neonazis gejagt wird, oder eines Dissidenten, der sich gegen ein autoritäres Regime auflehnt? Ich hoffe nicht. Und diese Hoffnung teile ich mit Nihat Demir – Familienvater, Polizeibeamter, Kind kurdisch-türkischer Einwanderer, deutscher Staatsbürger und Muslim. Er war es, der mich nach den schrecklichen Nachrichten sofort kontaktierte und sagte: „Simon, wir müssen ein Zeichen dagegen setzen und etwas tun.“
Und so beschlossen wir gemeinsam mit der Präsidentin der EJKA (Europäische Janusz Korczak Akademie), ein Video zu drehen, das die Gemeinsamkeiten und Gefühle von uns allen – Christen, Muslimen und Juden – in dieser schwierigen Zeit zum Ausdruck bringt. Keiner von uns zögerte, weder ich als Vertreter des ZOCD (Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland) noch Eva Haller (EJKA), dem Wunsch unseres Freundes Nihats zu folgen, der seit Jahren ein interreligiöses IFTAR-Mahl in München organisiert. Der Titel unseres gemeinsamen Videoappells, der im November 2023 fertiggestellt und veröffentlicht wurde, lautete: „Nie wieder – Der Hass muss ein Ende haben.“
Wir alle zusammen, Nihat, Eva und ich, folgten dem Herzenswunsch, unsere Gemeinsamkeiten zu zeigen und zu beweisen, dass in einer freien Welt, in der wir uns gegenseitig respektieren, wertschätzen und achten, ein Zusammenleben nicht nur möglich ist, sondern auch die Grundlage für das schafft, was wir gemeinhin als Demokratie verstehen. Daraus erwächst der Wunsch, dass auch die Menschen in Gaza und überall auf der Welt eines Tages die Chance erhalten, in Frieden und Freundschaft mit ihren Mitmenschen leben zu können. Denn jedes verlorene unschuldige Leben, egal auf welcher Seite der Gewaltspirale man steht, ist ein verlorenes Leben zu viel. Die Spirale der Gewalt muss durchbrochen werden. Und so war es unser muslimischer Freund Nihat, der sofort die Initiative ergriff, um wenigstens ein kleines Zeichen gegen die Gewalt in die Medienwelt zu tragen, verbunden mit der Hoffnung, dass weitere Aktionen folgen werden.
INTERKULTURELLES & INTERRELIGIÖSES FASTENBRECHEN AM 23. MÄRZ 2024:„Werte, die uns verbinden“
Wie in den vergangenen Jahren wurde auch 2024 in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der EJKA, dem ZOCD oder Project Peacemaker e.V., federführend organisiert und koordiniert von Nihat Demir, ein gemeinsames Fastenbrechen (IFTAR) im Rahmen des muslimischen Ramadan initiiert. Im Schatten des sich ausweitenden Nahostkonflikts war es dem Mut unseres Freundes zu verdanken, die aktuellen Spannungen in der Gesellschaft zum Thema zu machen. Als gläubiger und praktizierender Muslim war es Nihat ein großes Anliegen, ein Zeichen zu setzen, das von Muslimen kommt.
An diesem Abend, dem 23. März 2024, kamen Muslime, Christen, Juden, Agnostiker und Atheisten in harmonischer Atmosphäre zusammen, um gemeinsam das Brot zu brechen – tief verbunden im Wunsch, ihre gemeinsamen Werte zu leben. Das Programm war reichhaltig und facettenreich, und es zeigte, was möglich ist, wenn Menschen nach Gemeinsamkeiten suchen, anstatt das Trennende zu betonen. Es war eine Veranstaltung, die zeigte, dass die Bürger einer Demokratie das schaffen können, was viele nicht wollen, weil es ihrer Agenda widerspricht: Menschen aller Couleur einander näherzubringen.
Eine Hamas, ein IS, aber auch andere extremistische und ausgrenzende Strukturen hassen es, wenn Menschen zusammenkommen. Und an diesem Tag kamen sie zusammen. Flankiert von Politikern und Gästen, die ihren Beitrag leisteten. So eröffnete Dr. Ludwig Spaenle die Veranstaltung mit einem Grußwort. Timothy Liston, ehemaliger US-Generalkonsul, war bereits zum dritten Mal dabei und hielt eine inspirierende Rede über die Freiheit in einer Demokratie. Der Psychologe und Autor Ahmed Mansour sprach über die Brücke zwischen den Werten einer freien Gesellschaft und der Sehnsucht nach der Selbstbestimmung von Menschen, die in ihrer Identität gefangen sind. Weitere Gastredner waren Karl Staub (MdL, Integrationsbeauftragter Bayerns) und Johannes Singhammer, Bundestagspräsident a.D. und Politiker mit intensiver kultureller Erfahrung. Ferit Tekbas, der Vorsitzende des ZOCD, hielt eine friedensstiftende Rede, und die Jugendorganisation YouthBridge beeindruckte mit ihrem Engagement für ein friedliches Miteinander.
Die Impressionen des Abends vermitteln die harmonische Atmosphäre und die vielen positiven Momente, die an diesem Abend geteilt wurden.
Die gesamte Veranstaltung hat gezeigt, was möglich ist, wenn Menschen nach Gemeinsamkeiten suchen und ein starkes Bollwerk gegen diejenigen bilden, die nur Spaltung, Hass und Krieg im Sinn haben, um ihre eigene Macht zu erhalten. Es war mir eine Freude, gemeinsam mit Eva und Nihat das muslimische Fastenbrechen zu moderieren. Die Mühe hat sich gelohnt. Es sind solche Momente, die Populisten und Extremisten den Wind aus den Segeln nehmen. Menschen wie Nihat Demir, Eva Haller und ich gehen das Risiko ein, auch in den eigenen Reihen kritisiert zu werden, wenn wir uns klar positionieren. Aber gerade Nihat Demir betont immer wieder, wie wichtig es ist, morgens in den Spiegel schauen zu können. Das sollten wir alle von Zeit zu Zeit tun - vor allem die Medien, von denen ich persönlich mehr als enttäuscht bin.
Weder ARD noch ZDF, regionale oder überregionale Tageszeitungen: Niemand wollte darüber berichten, wie ein muslimisch-bayerischer Polizist gemeinsam mit anderen Muslimen, Christen und Juden dazu aufrief, das Gemeinsame zu betonen, statt das Trennende in den Vordergrund zu stellen. Nur die türkische Zeitung Hürriyet, eine der größten Zeitungen der Türkei, veröffentlichte einen sehr präsenten Artikel über die friedliche Botschaft der Münchner Veranstaltung. Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass die öffentliche Medienlandschaft, die sich den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Fahnen geschrieben hat, ausgerechnet jenen Muslimen keine Plattform bietet, die sich gegen die Agenda der Hamas auflehnen und Verbrechen auf allen Seiten verurteilen. Dabei sind sie wichtige Vermittler in unserer Demokratie.
Obwohl ich mich seit Jahren an diesen für mich unverständlichen Zustand der deutschen Medienlandschaft gewöhnt habe, hoffe ich dennoch, dass sich dies eines Tages ändern wird. Denn es sind Menschen wie Nihat Demir und Eva Haller, die uns vorleben, was in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft so heilig und wichtig ist: Respekt, gegenseitige Anerkennung und das Teilen von Werten, die uns alle verbinden.
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Abschlussgedanke - Israel, Tel Aviv, Januar 2017
Im Januar 2017 befand ich mich an einem sehr sensiblen Punkt in meinem Leben. Ich hatte eine Scheidung hinter mir, organisierte mein Leben neu und sehnte mich nach etwas Erholung. Eine Woche Urlaub in Israel wurde mir empfohlen. Da ich wusste, dass meine früheren journalistischen Reisen in den Libanon, den Irak, Syrien und Iran möglicherweise Probleme bei der Einreise nach Israel verursachen könnten, erkundigte ich mich beim damaligen israelischen Generalkonsul und der israelischen Handelskammer in München, ob es Schwierigkeiten geben könnte. Man versicherte mir, dass es keine Probleme geben würde.
Natürlich kam es anders. Am Flughafen wurde ich bei der Passkontrolle angehalten und mehrfach verhört. Ich verbrachte eine ganze Nacht in einem Arrestraum und erhielt die Nachricht, dass ich für 10 Jahre nicht nach Israel einreisen dürfe – ohne einen genauen Grund zu erfahren. Auch die Bemühungen des Generalkonsuls konnten die Sicherheitsbeamten nicht dazu bringen, mich ins Land zu lassen. Während der Verhöre bezogen sich die Beamten immer wieder auf meine Reisen in den Iran, nach Syrien und den Irak. Meine journalistische Tätigkeit und meine Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen, wie der Münchner Sicherheitskonferenz, schienen verdächtig. So wurde ich am nächsten Tag nach Hause geschickt.
Natürlich war ich zunächst wütend. Nicht einmal das Geld für das Flugticket konnte ich zurückerhalten. Doch im Laufe meiner Recherchen verstand ich die Gründe für die Vorsicht der israelischen Sicherheitsbeamten. Ich stellte mir vor, wie es wäre, als israelischer Staatsbürger von Feinden umgeben zu sein, die nichts anderes wollen, als meine Heimat, meine Kultur und meine Lebensweise zu zerstören. Was würde ich tun, wenn es um die letzte Zuflucht ginge, die mir nach dem Holocaust geblieben ist? Wahrscheinlich würde ich kämpfen, um mein Recht zu verteidigen, meine Heimat nicht zu verlieren und sie vor der völligen Auslöschung zu bewahren.
Und genau diese Auslöschung ist das Ziel der Hamas und anderer extremistischer Organisationen und Regime. In diesem Sinne verstehe ich heute das Verhalten der israelischen Sicherheitskräfte und nehme dieses Abenteuer mit Humor – eine Anekdote, die ich bei einem Glas Wein mit Freunden immer wieder gerne erzählen werde.
Apropos Wein, Freunde und ein freies, unbeschwertes Leben.
In einem bin ich mir sicher: Meine intensiven Reisen in den Nahen Osten haben mir gezeigt, dass viele Menschen gerne den Wohlstand und die Freiheiten hätten, die die Menschen in Israel genießen. Und die Machthaber wissen das. Deshalb setzen sie alles daran, Israel als Feind darzustellen, den es zu vernichten gilt – um von ihren eigenen Fehlern, von Folter, Erniedrigung, Korruption und brutaler Unterdrückung Andersdenkender abzulenken.
Alle, die für die Hamas auf die Straße gehen, sich ein Kalifat wünschen oder die Scharia als Grundlage des Rechts fordern, lügen sich selbst an. Denn letztlich unterstützen sie diejenigen, die sie eines Tages ins Gefängnis werfen oder ermorden werden, sobald sie aufbegehren. Das ist die bittere Ironie dieses Konflikts, der hoffentlich so bald wie möglich gelöst werden kann. Aber dazu braucht es mutige Menschen auf beiden Seiten.
Simon Jacob,
Augsburg, den 06.10.2024