Autor: Manuela Woywode
Ort: Deutschland, Türkei, Syrien
Format: Text
Thema: Gesellschaft
Datum: 27.02.2023
Portal: www.zocd.de  
Textdauer: ca. 5 min.
Sprache: Deutsch
Titel: Human Peace Project – Humanitäre Hilfe nach Erdbeben in der Türkei/Syrien – Ein Interview mit Ferit Johannes Tekbas 
 

Quelle: Ferit Johannes Tekbas

Vor dem Hintergrund der katastrophalen Ereignisse in der Türkei und in Syrien, hat unsere Redaktion mit Personen aus dem Aktionsbündnis gesprochen und sie zu der Hilfsaktion und ihrem Anliegen interviewt. Issam Abdul Karim, Sezgin, und Ferit Tekbas sind Teil des Human Peace Projekts. Alle drei besitzen ihre Wurzeln in einer der betroffenen Regionen und haben Angehörige vor Ort. 
 

Ferit Johannes Tekbas

Ferit Johannes Tekbas kam in Samandag - Antakya / Türkei auf die Welt und gehört der Rum.-Orthodoxen Kirche an. Seit seiner Kindheit lebt Ferit in Deutschland. Ferit ist als Schriftsteller tätig, dabei schreibt er hauptsächlich über theologische, historische und kulturelle Themen über Rum-Orthodoxen Christen. Zudem ist er Mitgründer und Vorstandsmitglied von ZeROChA (Zentralrat zur Förderung und Schutz der Kultur der Rum-Orthodoxen Christen von Antiochien e.V.) und dem Portal NEHNA. Im Zentralrat Orientalischer Christen in Deutschland e.V. (ZOCD) ist Ferit ebenfalls im Vorstand tätig. Durch seine Beratertätigkeiten bei den rum-orthodoxen Gemeinden in Deutschland und der Türkei, ist er bestens über die aktuelle Situation vor Ort informiert.

 

 

Du hast Angehörige im Erdbebengebiet. Zu welcher Region erlangst du Neuigkeiten und Informationen? 

Meine Mutter lebt in Samandağ und ist Gottseidank am Leben. Dank unserer Verwandtschaft in Antakya, Iskenderun, Altinözü und Mersin und unserer ehrenamtlichen Arbeit für NEHNA - PORTAL sind wir sehr gut über die aktuelle Situation vor Ort informiert. Leider ist die Lage in den anderen Erdbebengebieten der Türkei nicht besser als in der Region Hatay. Noch dramatischer ist die Situation im Norden Syriens. Dort fühlt sich das syrische Regime nicht für die Erdbebenopfer verantwortlich, weil die Kurden und die Türkei vor Ort sind. Die Türkei kann da nicht helfen, weil sie selbst sehr betroffen ist. Die Lage in den vom Regime kontrollierten Gebieten, wie Aleppo, ist auch deshalb sehr schlecht, weil die internationale Hilfe das Regime nicht erreicht. Weil sie boykottiert wird. Wir dürfen die Menschen in Syrien und der Türkei nicht vergessen. Nicht die politische Führung der jeweils betroffenen Länder, sondern die Menschen, die ihre Heimat und möglicherweise Familienangehörige verloren haben, sollten im Vordergrund stehen und unsere Hilfe bekommen. 

 

In der Provinz Hatay, insbesondere in Antakya, ist die Situation sehr dramatisch. Die meisten Gebäude im Stadtzentrum sind zusammengebrochen. Viele Menschen konnten nicht aus den Trümmern gerettet werden. Die Hilfe aus der Türkei und dem Rest der Welt kam leider verspätet an, da die Straßen und der Flughafen von Hatay durch das Erdbeben sehr schwer beschädigt wurden. Die Überlebenden versuchten, ihre Familien oder Freunde eigenhändig aus den Trümmern zu retten, bevor die Rettungskräfte eintrafen. Leider sind die Rettungskräfte mit der massiven Zerstörung der Stadt und dem Ausmaß überfordert. Es konnten noch einige Menschenleben gerettet werden. Dennoch ist die Anzahl an Menschen, die nicht gerettet werden konnten, sehr hoch und stündlich steigt die Zahl der Todesopfer. Ich denke auch, dass die Zahl über die Erdbebenopfer, die derzeit aus den Medien zu entnehmen ist, viel zu niedrig angesetzt wird. Wir müssen vorbereitet sein, denn wir haben so viele Menschen verloren.

 

Wie ist die Lage derzeit dort? 

Viele Überlebende des Erdbebens flohen zu ihren Verwandten in andere Teile der Türkei, zum Beispiel nach Mersin, sobald sie die Möglichkeiten dazu haben. Ich weiß, dass die orthodoxe Gemeinde in Mersin viele Menschen aus Hatay aufnimmt. Die Kirche ist aktuell in ein Gästehaus umgewandelt worden. Die Stadtverwaltung von Mersin leistet den Menschen in Hatay eine große Hilfe. Wir sollten alle Hilfsorganisationen, die Kirchengemeinden, die Stadtverwaltung und die gesamte Bevölkerung von Mersin nicht vergessen, sondern dafür danken, indem wir sie finanziell unterstützen. Wie meine Mutter haben viele Menschen, deren Häuser bei dem Erdbeben nicht zerstört wurden, Menschen aufgenommen, die kein Dach über den Kopf mehr haben. Eine Nachbarsfamilie, deren Haus teilweise beschädigt und nun unbewohnbar ist, wohnt jetzt bei meiner Mutter.

Doch neben all der Hilfe, werden In Iskenderun oder Antakya auch Supermärkte ausgeraubt. Das Risiko, dass leerstehende Häuser geplündert oder alleinlebende, ältere Menschen überfallen werden und um ihr Leben fürchten müssen, ist derzeit sehr hoch. Die dramatische Situation in den Erdbebengebieten wird uns noch Monate, vielleicht sogar Jahre begleiten.

 

Aktuell wird jede internationale Hilfe benötigt. Welche Art von Spenden wird am meisten gebraucht?  
Es werden dringend Zelte, Winterkleidung, medizinische Produkte, Lebensmittel, Decken, Hygieneartikel, Babywindeln, Babynahrung und Schlafsäcke benötigt. Mit den Geldspenden können sie Generatoren und Benzin für ihre Autos kaufen, da es aktuell keinen Strom gibt. Ein Problem für viele sind die chronisch Kranken, die auf Medikamente angewiesen sind. Diese Unterstützung ist für die erste Phase notwendig. Die Hilfe, die wir leisten müssen, wird langfristig sein. Das müssen wir alle bedenken. Wir alle erwarten von Deutschland und der Europäischen Union einen Gesetzesentwurf, der es unseren, vom Erdbeben betroffenen, Angehörigen ermöglicht, wenn auch nur kurzfristig, nach Deutschland und in die EU zu kommen.

 

Du hast bereits einiges an Hilfe organisieren können. Wie gestaltet sich diese?  

Wir konnten privat kleine Spenden organisieren. Allein können wir nicht viel ausrichten, deshalb haben wir eine Spendenaktion mit der Antiochia-Orthodoxen Gemeinde in Stuttgart gestartet. An dieser Hilfsaktion sind folgende Organisationen beteiligt. Gemeinsam mit Projekt Peacemaker e.V., IGOC, Nehna, ZOCD, Oannes Journalism, Oannes Consulting GmbH und Aktion - Einfach Machen, haben wir diese Hilfsaktion gegründet, bei der es unter anderem darum geht, den Menschen in Hatay und Nordsyrien zu unterstützen. Am 11. Februar war ich vor Ort in Augsburg im IGOC-Hilfswarenlager. Dort traf ich Paulus Kurt vom IGOC, Simon Jacob und der Vorsitzender der orthodoxen Gemeinde aus Stuttgart Ibrahim Bal. Wir haben die gespendeten Sachen begutachtet. All das macht uns große Hoffnung und die Geldspenden kommen noch dazu. Ich bin überzeugt davon, dass wir durch diese Aktion sehr hilfreich sein können. Die Menschen in Deutschland sind von der Katastrophe in der Türkei und in Syrien sehr betroffen. Viele sind bereit zu helfen. Zudem haben mich am 17. Februar Mitri Sirin und Dunja Hayali, zwei deutsche Fernsehmoderatoren und Journalisten, zu unserer Wohltätigkeitskampagne interviewt. Die Hälfte der Spenden, die sie für das Erdbeben in Antiochia gesammelt haben, werden sie unserer Hilfsaktion zukommen lassen.

 

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Von links nach rechts: Paulus Kurt, Ibrahim Bal, Ferit Johannes Tekbas, Simon Jacob Quelle: Ferit Johannes Tekbas 

 

In welchen Regionen siehst du den notwendigsten Bedarf an Hilfe? 

Daher gilt unsere Hilfsaktion für Nordsyrien und die Region Hatay: Hatay ist besonders von Antakya betroffen, dicht gefolgt davon wurde die Stadt Samandağ höchstwahrscheinlich am meisten zerstört. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir in allen Bezirken von Hatay, wo Hilfe benötigt wird, gleichermaßen helfen werden, soweit wir es können und es in unserer Macht steht. Die Gemeinde Mersin spielt eine wichtige Rolle bei der Organisation und Koordinierung der Hilfen, denn Mersin ist von diesem Erdbeben nicht betroffen und liegt geographisch sehr nahe bei Hatay. Außerdem stehen sich die Menschen in Mersin und Hatay sehr nahe. Das war schon immer so, davon bedingt, dass sehr viele Familien aus der Region stammen.

 
 

 

 

 

 
 
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Wie können Sie dem Aktionsbündnis helfen?
Zunächst einmal können Sie, so banal das klingen mag, Geld spenden.
Rechtlicher Träger und Verwalter aller logistischer, administrativer und finanzieller Aktivitäten ist der gemeinnützige Verein:
„St. Johannes der Täufer Weil der Stadt e.V. “
 
Die Gelder werden eingesetzt, um die Betroffenen vor Ort mit dem Nötigsten zu versorgen. Ein besonderer Bedarf besteht an Zelten, Schlafsäcken, warmer Kleidung, medizinischen Produkte, Hygieneartikeln und natürlich Nahrung. 
 

Das Aktionsbündnis, bestehend aus unterschiedlichen Organisationen, wird in den nächsten Tagen und Wochen über die geleistete Hilfe vor Ort, die im Besonderen der Provinz Hatay und der angrenzenden syrischen Region zukommen soll, berichten. Achten sie auf die Berichterstattung über unsere Kanäle.
 

Spendenkonto wie folgt:

St. Johannes der Täufer Weil der Stadt e.V.
Kreissparkasse Böblingen
IBAN: DE62 6035 0130 0000 7169 30
BIC: BBKRDE6BXXX
VWZ: Erdbeben Antiochien

Alle Spenden sind steuerlich absetzbar.

Allgemeine Fragen an die Redaktion sind an die dafür eingerichtete Mail – ID info@oannes.eu zu richten.

Am Aktionsbündnis beteiligt sind: