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Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte geben ausschließlich deren Meinung wieder und nicht die der bearbeitenden Redaktionen und Veröffentlichungsplattformen
 
Autor: Simon Jacob
Ort: München, Deutschland
Format: Text
Thema: Gesellschaft, Religion,
Datum: 11.07.2021
Portal: www.zocd.de  
Textdauer: ca. 10 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Assyrisch–Apostolische Kirche Deutschland, Gemeinde Rabban Hurmiz / Bayern – Vater Markus Zaia wird zum Erzvikar in Deutschland geweiht 
 

Assyrisch–Apostolische Kirche Deutschland, Gemeinde Rabban Hurmiz / Bayern – Vater Markus Zaia wird zum Erzvikar in Deutschland geweiht

 
Die Assyrisch-Apostolische Kirche sieht ihre Ursprünge in der Missionstätigkeit des Apostels Thomas und des Herrenjüngers Addai. Die ersten christlichen Gemeinden entstanden jedoch erst im dritten Jahrhundert im Perserreich. Während die Assyrisch-Apostolische Kirche im Mittelalter zu einer der weltweit größten christlichen Gemeinschaften zählte, bildet sie heute eine der kleinsten ostkirchlichen Konfessionen. Ein Teil der ostsyrischen Christen entschied sich für einen Unionsschluss mit Rom, aus dem schließlich die Chaldäische Kirche hervorging. Die Ursprungsregion der Assyrisch-Apostolischen Kirche liegt im heutigen Irak und Iran. Zu ihren Hochzeiten breitete sie sich in ganz Asien aus und hinterließ heute noch sichtbare Spuren, so z.B. in China, wo sich einige Mongolenfürsten dem christlichen Glauben anschlossen. Seit über 100 Jahren, in Wellen kommenden Vertreibungen ausgesetzt und unter den unterschiedlichen Konflikten im Nahen Osten leidend, setzte ein massiver Exodus ein, der die Gläubigen der Assyrisch-Apostolischen Kirche in die ganze Welt verstreute. Neben großen Diasporagemeinden, die sich im Besonderen an der Ostküste der USA (Chicago) gebildet haben, suchten auch viele irakischstämmige Christen und Christinnen Zuflucht in Skandinavien und Deutschland, wo sie immer größer werdende Gemeinden bilden. Eine von ihnen, die Rabban Hurmiz Gemeinde in Bayern, bekam am 11. Juli 2021 hohen Besuch, um den Priester der noch recht jungen Gemeinde, Vater Markus Zaia, zum für Deutschland zuständigen Generalvikar zu weihen. Der dafür eigens angereiste, für europäische Belange der Assyrisch-Orthodoxen Kirche zuständige Bischof, Mar Odisho Oraham, vollzog in dem, von der Katholischen Kirche zur Verfügung gestellten sakralen Gebäude, die festliche Weihe. Unter den zahlreichen Gästen waren, neben einer Delegation der irakischen Botschaft, auch Florian Schuppe (Pastoralreferent – Bistum Freising/München) und der ZOCD (Simon Jacob, Pressesprecher) vertreten.
 
Bischof Mar Odisho Oraham:
Der europäische Würdenträger der Assyrisch-Apostolischen Kirche kam 1961 in Bagdad/Irak auf die Welt und wurde in seinem Geburtsland theologisch ausgebildet. Die Weihe als Bischof erhielt er 1994 in Australien, verbunden mit dem Titel „Mar Odisho“. Bedingt durch die Expansion assyrisch-apostolischer Gläubiger in Europa, mit Zentrum in Schweden, wurde ihm 1995 die Leitung der Kirche in Europa übertragen. 
 
Vater (Qasha) Markus Zaia:
Vater Markus Zaia kam 1975 in einem Dorf in der Ninive Ebene, im heutigen Irak gelegen, auf die Welt. Sechs Jahre lang studierte er in Bagdad Philosophie und Theologie und absolvierte von 2007 bis 2010 seinen Masterabschluss. 2011 immigrierte Zaia nach Deutschland, wo er als Priester für stetig wachsende Münchner Gemeinde die pastorale Betreuung übernahm. Am 11. Juli 2021 wurde er zum Erzvikar der Assyrisch-Apostolischen Kirche in Deutschland geweiht.
 
Assyrisch-Apostolische Gemeinden in Europa/Deutschland:
Die Gemeinden in Schweden umfassen ca. 15.000 Mitglieder, in Deutschland, verteilt auf mehrere Städte, ca. 12.000 Mitglieder. Die Münchner Gemeinde hat aktuell ca. 250 Mitglieder.
Mit Florian Schuppe vom Erzbistum München und Freising, welches unterstützend bei der Etablierung und der Festigung der Gemeinde mitwirkt, führte der ZOCD, vertreten durch Simon Jacob (Redaktion) ein ausführliches Interview zum Thema Ökumene und vielfältige Kirchenlandschaft in Deutschland.
 
In welcher Form unterstützt das Erzbistum München und Freising die Assyrisch-Apostolische Gemeinde in München?
Das Erzbistum München und Freising unterstützt die Assyrisch - Apostolische Gemeinde eigentlich seit ihrer Entstehung. Dies geschieht auf drei Ebenen:
 
- Wir stellen den Raum für die Gottesdienste zur Verfügung sowie den Pfarrsaal, in dem sich die Gläubigen treffen können. Da bin ich sehr dankbar dafür, dass der Ortspfarrer und die katholische Gemeinde vor Ort so viel Unterstützung leisten. Das ist ganz besonders wichtig, damit eine Gemeinschaft entstehen und dadurch eine Gemeinde lebendig werden kann.
 
- Das andere ist, dass wir uns finanziell, mit einem jährlichen Zuschuss, einbringen, damit die Seelsorge so stattfinden kann, wie sie jetzt durchgeführt wird.
 
- Und ein dritter und nicht ganz unwichtiger Punkt ist die allgemeine Bereitschaft eben auch zu den Gemeinden hier Kontakt zu halten. Wichtig ist es dabei, den Anliegen der Gemeinden Gehör zu schenken; z.B. im Umgang mit der Coronapandemie, wo wir unterstützend mitgewirkt und erläutert haben, wie man mit den Rechtsvorschriften umgeht, verbunden mit praktischen Hilfen.
 
Welchen Stellenwert hat die Kirchenvielfalt in der Region?
Also die Vielfalt der Kirchen hat für uns einen ganz großen Wert und ist auch von theologischer Bedeutung. Sie zeigt sich in der Diversität der Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und ist Ausdruck des Reichtums des Evangeliums. Und wir haben eben gelernt, dass uns gerade in der Vielfalt Dinge begegnen, die wir vielleicht in unserer eigenen Kirchengeschichte etwas stärker in den Hintergrund haben treten lassen. Also gerade mit der Assyrischen Kirche des Ostens begegnet uns eine der Kirchen, die ganz nah an den Ursprüngen des Christentums ist und das ist gerade in diesem Zusammenhang so bereichernd. Einfach voneinander lernen, wieder auf die Ursprünge Jesu hinzuschauen, das bringt viel.
 
Stellen die unterschiedlichen theologischen Sichtweisen eine Hürde dar?
Ich würde sagen nein. Ich erlebe diese Multiperspektivität als Bereicherung. Natürlich gibt es Unterschiede, die sich auch ganz praktisch ausdrücken; z.B. in der Art, wie wir bestimmte Ämter und deren Bedeutung verstehen. Also das bekannteste Beispiel ist sicher, dass das Petrusamt für die Römisch-Katholische Kirche etwas ganz Zentrales ist. Der Papst ist für uns sichtbares Zeichen der Einheit und in dieser Funktion auch mit vielen Vollmachten ausgestattet, die ganz praktisch das Miteinander der römisch-katholischen Weltkirche wesentlich prägen. Vieles davon versteht die Assyrische Kirche des Ostens aus Ihrer Tradition heraus anders und hat für sich andere Wege des Einheitsdienstes gefunden. Darüber miteinander ins Gespräch und in ein gegenseitiges Verständnis zu kommen, das ist die große Chance der Ökumene. Denn gerade diese unterschiedlichen Erfahrungen und Blickwinkel bergen die Chance tiefer ins Verständnis des Evangeliums einzutauchen. Im Judentum sagt man, nur in der Debatte und im Ringen um die richtige Position werden wir der Wahrheit Gottes, im eigentlichen Sinne, näherkommen. Und das glaube ich zeigt sich auch in der Ökumene und in der Vielfalt der unterschiedlichen theologischen Ansätze.
 
 
Gerade Kirchen aus dem Nahen Osten verspüren einen immensen Zustrom. Mit dem Wachstum kommen auch zunehmend gesellschaftliche Strukturen zu Tage, z.B. familiär-patriarchalische Begebenheiten, die mit anderen Sichtweisen kollidieren können. Wie gehen westliche Kirchen damit um?
Ich glaube, man muss zunächst einmal sagen, dass wir äußerst dankbar sind für die unglaubliche Leistung an Integration, die in den Gemeinden und Vereinen vor Ort geschieht. Das ist ja ein äußerst komplexer Transformationsprozess. Die Gemeinden sind ein ganz wichtiger Ort, um Menschen, die aus ganz anderen gesellschaftlichen und auch familiären Hintergründen kommen, hier praktisch ein Ankommen zu ermöglichen. Natürlich ist Integration kein Prozess, der immer ganz ruhig und harmonisch verläuft. Es kommt auch zur Konfrontation von unterschiedlichen Einstellungen, von unterschiedlichen Gesellschaftsvorstellungen und auch gerade im Miteinander von Familien, von Mann und Frau, gibt es manchmal unterschiedliche Vorstellungen. Da gilt es im Gespräch miteinander zu bleiben und dies in einer Weise zu tun, die nicht belehrend, aber klar und deutlich in der Sprache ist. Das haben wir durch den Kontakt über die Jahre hinweg immer wieder gelernt. Ein Beispiel ist für mich der Umgang mit den anderen Religionen. Hier haben unsere Kirchen an manchen Stellen unterschiedliche Akzente, aber eben auch jeweils ihren eigenen reichen Schatz an Erfahrungen. Deshalb ist hier das Gespräch miteinander so wichtig. Das führt auch dazu, dass einfach Positionen aufgedeckt werden, gerade da wo es auch im christlichen Umfeld zu Fundamentalismen kommt, die zu gesellschaftlichen Polarisierungen führen können. Da muss man ganz deutlich sein.
 
Was wünschen Sie sich als Vertreter ihrer Kirche für die zukünftige Ökumene einer immer bunter werdenden Kirchenlandschaft in Deutschland?
Ich wünsche mir tatsächlich zwei Dinge: einmal den vielfältigen Diskurs und entsprechende Begegnungen, die aus dem Reichtum der unterschiedlichen Traditionen entstehen. Ich glaube an diesem Sonntag, während der Weihe von Vater Markus zum Erzvikar, konnte man das noch einmal sehr schön sehen. Es ist für mich persönlich immer eine tiefe Bereicherung, bei so einer schönen und wirklich lebendigen Liturgie dabei zu sein, eine junge Gemeinde zu erleben, die mit so einer großen Vielfalt im Hintergrund feiert. Das ist zutiefst bereichernd, und zwar nicht nur im praktischen Sinne, weil es ein schönes Fest ist. Sondern weil man wirklich noch einmal, und ich glaube das kann man wirklich so sagen, das Evangelium tiefer versteht und einfach immer wieder merkt, wir sind gemeinsam innerhalb dieser einen Mission unterwegs. Und das Zweite ist die gesellschaftspolitische Aufgabe, die wir gemeinsam angehen: näher an unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu sein, um hier gemeinsam Probleme zu lösen.
 
Wenn ich jetzt an die aktuelle Situation denke, die Herausforderung durch die Pandemie, da haben die orientalischen Gemeinden oft Zugang zu Gruppen, die wir über die Strukturen in der evangelischen und katholischen Kirche nur sehr schwer erreichen. Hier ist gemeinsam zu überlegen, welche Bedenken vorhanden sind, welche klaren Signale wir geben können, wie sich Gesellschaft entwickeln kann oder wie wir z.B. auch zum Impfen ermuntern. Das sind, so glaube ich, gemeinsame Aufgaben für die Zukunft, wo wir noch viele Herausforderungen vor uns haben. Hier können wir gut und positiv, im Sinne der Gemeinschaft, helfen und zusammenarbeiten. 
 
Profil:
Florian Schuppe ist Pastoralreferent (Studierter Theologe und ausgebildeter Seelsorger) der Erzdiözese München und Freising und leitet den Fachbereich Ökumene im Erzbischöflichen Ordinariat. Der heute 49- jährige promovierte zum einem Thema aus der orthodoxen Theologie und unternahm verschiedene Forschungsaufenthalte in orthodoxen Ländern (u.a. Studienjahr an der geistlichen Akademie in St. Petersburg, Russland). Neben Tätigkeiten in der Gemeinde, begleitete er leitend die Vorbereitungen für verschiedene ökumenische Großevents (u.a. den 2. Ökumenischen Kirchentag und das Friedenstreffen von Sant‘ Egidio). 2019 nahm Schuppe am Lehrgang für Verwaltungsführung der Bayrischen Staatskanzlei, einer einjährigen internationalen hochrangigen Führungskräfte-Förderungsmaßnahme, teil. Er referiert und publiziert regelmäßig zu den Themenfeldern Ökumene, Kirchenentwicklung und Innovation.
 
Simon Jacob
Augsburg, 12. August 2021
 
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Vorträge – Der ZOCD bietet verschiedene Vortragsreihen an, die sich mit gesellschaftsrelevanten Themen beschäftigten. Hier geht es zum Vortragsportal
 
Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de