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Die von den einzelnen Autoren veröffentlichten Texte geben ausschließlich deren Meinung wieder und nicht die der bearbeitenden Redaktionen und Veröffentlichungsplattformen
  
Autor: Maximilian Feldmann
Ort: Wien, Österreich
Format: Text
Thema: Politik, Gesellschaft, Extremismus
Datum: 31.03.2021
Portal: www.zocd.de 
Textdauer: ca. 8 Min.
Sprache: Deutsch
Titel: Verschwörungsmythen und Religion – Teil 1
 
(Bild: Maximilian Feldmann, Vortragsreihe/Veranstaltung - September 2020; Bildquelle: Simon Jacob, Oannes Consulting GmbH)
  

Verschwörungsmythen und Religion – Teil 1

  
Es geht doch nichts über eine Verschwörung! Hand aufs Herz, was wäre ein Actionfilm ohne eine Verschwörung? Die Geschichten bei „Bourne“ oder „Mission Impossible“ wären kaum so spannend, wenn nicht eine dunkle, mächtige Bedrohung im Hintergrund die Fäden ziehen würde.
  
Ethan Hunt, der Protagonist der „Mission Impossible“- Reihe, muss sich in den einzelnen Filmen allein, öfters mit seinem kleinen Team aus Spezialisten, gegen die Verschwörer zur Wehr setzen und deren Komplott aufdecken.
  
Für den Zuschauer ist dies ein packendes Erlebnis! Der Protagonist im Film ist meist der klare Underdog, mit dem man sich solidarisch gibt und hofft, dass er es doch irgendwie schafft, die Gefahr zu überwinden und die Verschwörung ans Tageslicht zu bringen. Die Verschwörer selbst sind das genaue Gegenteil vom Helden, versteckt im Hintergrund, kaum vernehmbar für die Zuschauer. Deren Motive sind zumeist alles andere als edel und in der Regel eine absolute Bedrohung für die gesamte Menschheit. Als Zuschauer kann man sich nicht mit dieser Art von Bösewichten identifizieren, ihnen gilt auch keine Sympathie. Der Kampf des Underdogs mit den Verschwörern ist damit mehr als ein Kampf zwischen zwei Parteien. Es ist ein Kampf fast kosmischen Ausmaßes, bei dem es klar die „Guten“ und die „Bösen“ gibt und dessen Ausgang von enormer Bedeutung ist!
 
Was auf der Leinwand gut funktioniert und ein klassisches Stilmittel der Unterhaltungsindustrie geworden ist, lässt sich auf das wirkliche Leben nicht fließend übertragen. Mit Ausbruch der Covid-19 Pandemie und als Reaktion auf die Maßnahmen zu deren Eindämmung, begann eine Entwicklung, welche inzwischen in allen Medien ist und vor deren Gefahr immer stärker gewarnt wird. Es geht um genau diese Vermischung von Realität und Fiktion und dem Glauben an verborgene, düstere Kräfte.
  
Diese Verschwörungsmythen, oftmals noch fälschlich als Theorien deklariert, sind keine neue Erscheinung unserer Pandemie – Zeit, sondern ziehen sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte. Allerdings ist das Ausmaß heute gravierend, zumal Verschwörungsmythen längst nicht mehr allein in den USA weit verbreitet sind, sondern auch immer stärker nach Europa und damit auch nach Deutschland, Österreich oder gar Russland kommen.
  
Bei den Verschwörungsmythen handelt es sich nicht um klar fundierte Theorien mit einer verständlichen Ausgangslage und einem ebenso deutlich formulierten Inhalt. Es sind in der Regel Ausdrücke von Glaubensstandpunkten, welche durch Slogans und Statements an die Öffentlichkeit kommen. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Fakten und ernsthaften Theorien wird nicht angestrebt. Stattdessen wird auf die Mythen verwiesen, „an denen doch was dran sein muss!“
  
Dabei sind Mythen an sich nichts Verkehrtes, schließlich beruhen die meisten Kulturen und religiösen Traditionen auf Mythen. Für den Religionsphilosophen Mircea Eliada stand fest, dass Mythen wahr und falsch zugleich sind. So wie der biblische Mythos von der Erschaffung der Welt durch Gott in sieben Tagen keiner wissenschaftlichen Analyse standhält, so ist die Kernaussage für Gläubige dennoch nachvollziehbar. Außerdem liefert dieser Mythos eine Erklärung für die Sieben-Tage-Woche und sorgt für einen klaren zeitlichen Rahmen. Also ergibt dieser Mythos einen Sinn.
  
Soweit so harmlos. Verbindet man jedoch den Glauben an eine düstere Verschwörung gegen sich und das Umfeld mit der Realität, so wird es problematisch! Die Grenze zwischen Glauben und der gefühlten Wahrheit droht dabei immer stärker zu verwischen, was für die Anhänger solcher Verschwörungsmythen mitunter zu einer Stress- und Angstsituation führen kann. Für diese Menschen bedeutet es auch, dass sie langfristig aktiv werden müssen, um gegen die Verschwörung vorzugehen und sich aus diesen Fängen zu befreien.
  
Obwohl es heutzutage einen enormen Reichtum an Wissen gibt, fehlt oft die Zeit und der Wille sich mit Sachverhalten der Weltpolitik, Wirtschaft, Welthandel und Finanzen zu beschäftigen, zumal diese Themen des Öfteren auch trocken und mitunter langweilig sind.
  
Viel spannender und verlockender ist es, wenn man hinter diesen Themen eine Verschwörung wittern kann. Diese Sehnsucht nach verständlichen, einfachen und unterhaltsamen Antworten machen sich sogenannte „Verschwörungstheoretiker“ von z.B. Q-Anon in den USA und neuerdings Europa zu Nutze. Unter den Hashtags wie „#Pizzagate; „#Clintongate“ oder „#Epstein didn’t kill himself“ begann sich der Glaube an eine korrupte, pädophile Geheimorganisation von demokratischen, republikanischen Politikern und US-Prominenten sowie deren internationalen Helfern rasend schnell zu verbreiten. Ganze Publikationen erschienen zu diesen Themen in den USA, in denen behauptet wird, dass sich u.a. das FBI an einem globalen Kinderhandel beteiligt. Namhafte US – Politiker und Prominente, darunter die ehemaligen US – Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush werden als pädophile Vergewaltiger dieser entführten Kinder tituliert, manchmal in Person, manchmal stellvertretend durch Hologramme! Was sich nach einem Science – Fiction anhört, ist für Q-Anon Anhänger eine aufgedeckte Wahrheit.
  
Die Verfasser dieser (Mach-)Werke behaupten von sich selbst „Insider“ und demzufolge ehemalige gefangene Kinder dieser geheimen Elite zu sein. Weder Zeiten noch Orte noch jegliche „Indizien“ für diese Behauptungen werden jemals konkret vorlegt. Stattdessen werden Ereignisse auf der Welt wahllos miteinander verbunden und dem Kontext dieser Mythen angepasst. Das wichtigste Element dabei ist der Glaube! Die Autoren von Verschwörungsmythen treten gezielt nicht in der Öffentlichkeit auf, da sie für sich das „wahre Wissen“ reklamieren und sich vor der Bedrohung durch die bösartige Elite verstecken müssen. Weshalb diese Autoren ihre Bücher publizieren und über Internetseiten frei verfügen können, erscheint den Anhängern dieser Theoretiker keinen Gedanken wert zu sein. Zu verlockend ist die Hingabe, Teil einer auserwählten Gemeinschaft für „das Gute“ zu sein.
  
Dass dies keine harmlose Angelegenheit ist, bewies der Sturm auf das Kapitol in Washington am 06. Januar 2021, als Q-Anon-Anhänger die Ernennung des neuen US-Präsidenten Joe Biden verhindern wollten, da für sie der in der Wahl unterlegene US-Präsident Donald Trump ein Bekämpfer von eben dieser pädophilen Elite und teilweise als eine Art Prophet gilt.
  
Diese Leute gingen dabei mit einem ausgesprochen klaren Fanatismus vor, welcher aus ihrem Glauben an diese Mythen hervorgegangen ist. Sie waren überzeugt, das Richtige für sich und das Land zu tun. Sie sahen sich dabei in der Rolle des kämpfenden Underdogs gegen die kaum greifbare, abgrundtief bösartige Elite im Hintergrund. Ein Kampf zwischen Gut und Böse.
  
Zu Beginn des vermehrten Auftretens dieser Mythen in den 2010-er Jahren wurden diese ignoriert oder belächelt. Fatalerweise haben sich diese Mythen zu Ersatzreligionen entwickelt, deren besonders hartgesottenen Anhängern mit Fakten und Argumenten nicht mehr beizukommen ist.
  
Mit der Covid-19 Pandemie breitet sich das Denken immer stärker in Europa, besonders Deutschland aus. Es ist der feste Glaube, dass die Bundesregierung nur aus Strohmännern- und Frauen besteht und von einer bösartigen Macht im Hintergrund gelenkt wird, welche einen schrecklichen Plan gegen die Bevölkerung verfolgt. Dabei kommt ein Narrativ zum Vorschein, welches eigentlich als Überwunden galt… Antisemitismus.
  
Maximilian Feldmann
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Anfragen sind zu richten an: ZOCD, Frau Daniela Hofmann, Rechte Brandstr. 34, 86167 Augsburg, Tel. 089 24 88 300 52, info@zocd.de